Montag, 04.02.2019

Von der Westküste in's Inland, weiter zu den Fjorden

Wir fahren und fahren

und sehen schöne Landschaften und wissen schon gar nicht mehr, wo es wie genau ausgesehen hat.

Mich beschäftigt die Frage, ob auch schon am Ende der Welt Umweltbelastungen ein solches Ausmaß angenommen haben, dass Schäden sichtbar werden. Mir sind nämlich recht häufig und manchmal großflächig an unterschiedlichen Standorten tote Bäume und Sträucher aufgefallen, z. T. mit braunen Blättern und Nadeln, z. T. dicht überzogen mit Flechten, z. T. ganz kahl.

Im Nationalpark-Besucherzentrum in Haast erklärt man mir, dass schwankende Wasserstände, also natürliche Prozesse, die Ursache dafür sind. Das überzeugt mich nicht, sind doch die Standorte zu unterschiedlich und in direkter Nachbarschaft grünt es üppig. Die Schlagwörter aus europäischen Regionen wie Waldsterben, saurer Regen, Luftverschmutzung, Pestizide, Überdüngung, Schädlingsbefall führen hier aber nur zu verständnislosen Blicken. Die Einstellung vieler Bewohner zu Umweltproblemen scheint ganz anders zu sein, es gibt ja auch kaum Industrie. Trotzdem können sorgloser Umgang mit den Ressourcen und Ausweitung holz- und landwirtschaftlicher Nutzung auch hier zu schleichenden Prozessen führen. Im Internet finden wir neben großer Begeisterung für die neuseeländische Natur eben auch alarmierende Berichte z. B. über fatale Folgen der Massentierhaltung (riesige Rinderherden mit entsprechendem Dung) und der Erosion auf den abgeholzten Hügeln. Also nicht nur heile Welt im so abseits gelegenen Neuseeland ...

Nun geht es über den Haast-Pass weiter auf einen Campingplatz nach Wanaka. Wir legen einen Ruhetag ein, waschen. Zeit lassen bei allem.

Die nächste Zwischenstation - Queenstown - erreichen wir über eine eigentlich für unseren Camper wegen starken Gefälles verbotene Bergstraße.

Einziger Camper weit und breit 

Das wird uns erst hinterher klar, ich habe aber die Motorbremse genutzt und mich wie immer sehr bemüht, die normalen Bremsen zu schonen. Gefällt uns gut dort, mit der Seilbahn auf den Stadtberg, schöne Aussicht, Spaziergang an der Seeuferpromenade.

Hier entsteht in der Touri-Info auch das Plakatfoto - wie du richtig erkannt hast, Zina - der 'Milford Wanderer', dem Schiff, das wir morgen für unsere Fahrt über den Milford Sound nutzen werden.

Weiter nach Te Anau zum Kochen und Übernachten auf dem Campingplatz. 

Wir treffen freudig Alena und ihre Familie wieder, Geschichten hin und her. Vorm Schlafen versuche ich einen kleinen Gang weg von allem Licht. Gelingt mir nicht ganz, aber der Sternenhimmel ist so schon unglaublich. Neben Sternen der Milchstraße sehe ich sogar andere Galaxien. Kommt mir so vor, weiß ich aber nicht wirklich, möchte ich noch herausfinden, wenn ich wieder Zuhause bin.

So, nun machen wir uns auf den Weg zum berühmten Milford Sound. Schon auf der Fahrt dorthin kommen wir an schönen Ecken vorbei .



Der Fjord mit bis zu 1000 Meter hohen Felswänden an den Seiten ist DAS Highlight Neuseelands. Vor vielen Monaten habe ich in Hannover im Internet Bilder und Berichte angeguckt, da kamen wir fast die Tränen, so wundervoll sah es dort aus und war es zu lesen. Also SEHR hohe Erwartungen. Damit wir es richtig gut mitbekommen, haben wir eine Overnight-Tour auf einem Cruise-Ship gebucht, auf Empfehlung von einigen.

Wir stellen den Camper auf dem großen Parkplatz ab und laufen mit unserem Gepäck für eine Übernachtung am seichten Ufer entlang zum Schiffsanleger.  Hier unser erster Blick auf den Milford Sound:

Die erwähnte 'Milford Wanderer' liegt schon bereit und es sammeln sich weitere Passagiere auf der sonnenbeschienenen Rückseite der Abfertigungshalle.

Wir haben richtig Glück mit dem Wetter, allerdings auch aufwendig unter ständiger Hinzuziehung der Wetterberichte von Geli punktgenau für diese Tage geplant. Blauer Himmel, strahlende Sonne. Dann wird das Tor zum Anleger geöffnet und wir gehen an Bord. Unsere Kabine ist nicht besonders groß, aber um einiges komfortabler und schicker als die bisher bewohnten - natürlich teurer.

Es gibt 2  Gemeinschaftsbäder, schließlich ist das hier auch wieder keine Luxus-Kreuzfahrt. Wir versammeln uns im Speise- und Freizeitraum,

setzen uns zu zwei Damen, man/frau rückt zusammen. Erläuterungen zum Ablauf: schippern, essen, laufen, schippern, essen, gemütlicher Abend, Sterne gucken. Eine gemischte Gruppe hat sich hier eingefunden, so etwa 24 Personen, ein jüngeres Pärchen und ein jugendlicher Sohn, sonst mittelalt bis älter, viele verschiedene Nationalitäten, bieder bis sportlich. Alles dabei bis auf jung und alternativ. Wir wissen nicht so recht, wo wir uns zuordnen sollen, welche Beschreibung würde auf uns zutreffen? Wie sich im Laufe der Stunden herausstellt, war die zufällige Sitzordnung gut für uns, die beiden Damen (Freundinnen auf Reisen) entpuppen sich als starke lebenslustige Typen. Wir beobachten sie und erzählen und fragen und hören und staunen über die beiden, es macht Spaß.

Wir schippern bis Sandfly Point, dem Endpunkt des Milford Tracks, einem ebenso berühmten wie exklusiven 4-tägigen Wanderweg (nur mit Anmeldung, trotz hoher Gebühren oft ausgebucht).
Währenddessen wird eine leckere Suppe serviert, kaum Zeit, an Deck erste Eindrücke der faszinierenden Landschaft aufzunehmen. Dazu jetzt und bis zur Rückkehr immer wieder Erläuterungen vom Käpt'n über Lautsprecher zur geologischen Entwicklung des Fjordlandes, von dem der Milford Sound ein spektakulärer, aber nur ein Teil ist. Und zur Natur, lange Zeit ganz unberührt. Menschlicher Zugang kurz durch die Maori im 14. Jahrhundert, Erschließung im 19. durch Europäer.   

Wir werden mit einem Schlauchboot in Teilgruppen an Land gebracht, um mit einem Führer den Milford Track ein Stück zurück zu laufen. Dabei gibt es erneut Erläuterungen zu Fauna und Flora. Ich verstehe Teile, noch mehr Englischkenntnisse und Verstehenspraxis wären jetzt schön. Sogar eine der Fallen für Hermeline (stouts), die von europäischen Siedlern eingeführt wurden und sich als Plage für die Vogelwelt entwickelt haben, wird für uns geöffnet und deren Funktionsweise erklärt.

Pounamu oder Greenstone (eine Art Jade) ist an der Westküste Neuseelands überall zu finden, wie uns unser Führer anschaulich erklärt.

Wir bekommen einige Antworten auf unsere umweltkritischen Fragen und erhalten einerseits Zustimmung. Unser Führer weist aber auch darauf hin, dass es in Neuseeland immer schon große Flächen mit dem einheimischen sogenannten Tussockgras gab, also nicht alle unbewaldeten Berghügel eine Folge der Waldvernichtung sind. Zurück an Bord gibt es reichlich Abendessen. Eigentlich sind wir nach der Suppe noch nicht so richtig hungrig, aber was sollen wir machen, essen halt mit. Und es schmeckt! Das Schiff ? kreuzt derweil weiter durch den schönen Milford Sound, zu Wasserfällen und herrlichen Ausblicken auf die umliegenden Berge.

Beim Essen können wir das wieder nicht so richtig sehen, sitzen ja unter Deck und so groß sind die Fenster auch nicht. Also schnell und hoch und raus nach draußen, gucken, Fotos machen, gerade noch etwas Licht.

Als es dunkel wird und das Schiff am Nachtankerplatz in einer Bucht festgemacht hat, sitzen viele zusammen und machen Spiele. Das ist wohl so üblich, unsere Crew hat jede Menge Tischspiele bereit gestellt.

Geli sitzt bei unseren beiden Damen und versucht deren Spiel zu verstehen. Für mich ist das ja gar nichts, ich gucke mir das Schiff an und dann die Sterne, so ab 23:00 sind sie richtig gut zu sehen. Wieder ganz besonders. Einige teilen den Anblick mit mir und Geli kommt dann auch dazu.

Ab 22:00 ist der große Schiffsgenerator ausgemacht worden - Nachtruhe. Es läuft nur noch ein kleiner, wenig zu hören, für ein bisschen Licht in den Gängen und Lüftung in den Kabinen. Frühe Nachtruhe bedeutet auch frühes Aufstehen - keine unserer Paradedisziplinen. Generator geht gegen 6:30 wieder an, Frühstück bis 7:30, dann wird alles abgeräumt. Das Schiff fährt noch einmal den Fjord entlang bis auf's offene Meer. Kalt ist es! Alles was wir dabei haben wird angezogen, so geht's. Besonderes Licht und Stimmung, Sonnenaufgang.

Frühstück - heute sogar für mich! 

 

Weit ist die Fahrt auf dem Milford Sound nicht, wir denken, eine Tagesfahrt hätte auch gereicht. Soweit wir das mitbekommen, sind sooo viele Boote tagsüber nicht unterwegs, die persönliche Begegnung mit dem hier bleibt auch für solche Gäste gewahrt. Trotzdem sind wir sehr angetan, haben wir ja auch so ein Glück mit dem Wetter!!!

Nach der Rückkehr bleiben wir noch, fahren mit dem Camper auf den hiesigen Campingplatz

und erkunden zu Fuß ein bisschen die Gegend.

 

Es war ja eine lange Anreise hierher, wir schauen, was es sonst noch so gibt. Die Möglichkeiten sind aber begrenzt, es ist eben wildes Fjordland, wenig erschlossen. Es geht am Fluss entlang, an dem bei Ebbe sandigen Ende der Bucht und etwas einen bewaldeten Hang hinauf. Der Gedenkstein für einen Mann, der sich hier unter widrigsten Umständen für viele Jahre niedergelassen hat, liegt auf unserem Weg. Donald Sutherland war ein schottischer Abenteurer, viel in der Welt unterwegs, von dem beim Anblick der Landschaft sinngemäß der Satz überliefert ist: "Wenn ich mal irgendwo seßhaft werde, dann hier". So kam es, geheiratet hat er und zusammen mit seiner Frau wurde seine Unterkunft über Jahrzehnte eine Herberge für alle Menschen, die sich hierher gewagt haben. Er war für die Europäer der Entdecker und Gründer menschlicher Besiedlung an diesem Platz. Nach ihm ist der hiesige, zweithöchste neuseeländische Wasserfall benannt.
Für ein 'leckeres' Abendessen bin ich heute zuständig, es gibt 'Beutelsuppe' in der Campküche!

Darauf hat Geli sich nur eingelassen, weil wir auf der Tour reichlich verpflegt wurden. Ein Genuss ist es, glaube ich, für sie auch schon rein mental nicht. Mir schmeckt die Suppe, wird sie schließlich mit zerbröselten Spaghetti, Erbsen und reingeleppertem Ei verfeinert (schreibt sich das so? Ich kenne den Ausdruck nur mündlich von dir, Mutti).

Wir müssen Acht geben auf die bissigen Sandflies, die kommen hier massenhaft vor. Es gelingt uns einigermaßen (Nobite!) und so starten wir gut gelaunt bei erneutem Sonnenschein (!) am nächsten Morgen. Unterwegs hat Geli eine kleine Wanderung für uns vorgesehen, ist wirklich schön. Sie ist das letzte Stück einer weiteren bekannten Wanderroute hier, dem 'Routeburn-Track'.

 

 

Hier sehen wir sogar den Pounamu (Greenstone)

Dann geht's mit unserem Auto weiter. Wir kommen durch imposante Bergwelt, Tunnel, weite, mit Tussock-Gras bewachsene Ebenen, an Seen vorbei und erreichen dann die südlichste Stelle unserer fast einjährigen Reise. Mossburn, ein kleiner Ort im Nirgendwo, nur formal für uns bedeutsam.

Von nun an geht's zurück! Da unser räumlicher und zeitlicher Horizont noch immer so weit gefasst ist, halten sich die Emotionen hier in Grenzen. Was heißt schon zurück, wir haben noch fast 7 Wochen Neuseeland und insgesamt mehr als 5 Monate vor uns, da relativiert sich dieser eine Moment. Vielleicht ein klein bisschen Wehmut in den Gedanken, so lange so weit werden wir wohl nie wieder unterwegs sein.

Weiter geht's nach Queenstown, dort übernachten wir.