Samstag, 08.06.2019

Kenia - letztes Reiseland eines unglaublichen Jahres! Es beginnt in Nairobi ...

Wir kommen mittags in Nairobi an, mit dem Flug hat alles gut geklappt. Nun sind wir gespannt auf die Zollkontrollen bezüglich der verbotenen Plastiktüten. Der Aufwand, den wir betrieben haben, wird dann allerdings überhaupt nicht gewürdigt, wir werden einfach so, etwas gelangweilt, durchgewunken! Naja, auch gut, nun schnell mit Uber in's Appartement, wir sind müde vom frühen Aufstehen.

Ein Stück vom Flughafen Richtung Innenstadt beginnt ein gewaltiger Stau, die Ankunft zieht sich.

Anm. Geli: Ich traue meinen Augen kaum, denn mitten in Nairobi leben Hunderte von riesigen Marabu-Störchen auf den Akazienbäumen, einige fliegen auch direkt über uns. Die Abgase scheinen ihnen gar nichts auszumachen ...

Tausende Autos drängen sich auf der 3-spurigen Straße, alle wollen in's Zentrum der 3,1 Millionen-Stadt. Dazwischen laufen Menschen hin und her, wollen auf die andere Seite oder den Insassen etwas verkaufen. Gute Gelegenheit, weil die Autos immer wieder anhalten müssen. Wasser, Nüsse, Bananen, sowas. Die meisten Fahrzeuge sind eher alt, schrottig und staubig als neu und blank poliert, aber sie fahren. Geschickt wird jede kleinste Lücke genutzt und alle agieren oder reagieren gelassen, keiner besteht auf "seinem Recht". Leben und Lebenlassen oder besser Fahren und Fahrenlassen scheint das Motto, dem alle ohne strenges Diktat von Verkehrsregeln folgen. Auch direkt vor den Augen der Verkehrspolizisten, die sich am Kreisverkehr mühen, die Massen irgendwie zu lenken, damit der totale Stillstand vermieden wird. Dieses schon so oft in vielen Ländern unserer Reise als genial erlebte Verkehrsordnungsmittel versagt hier kläglich, weil sich einfach zuviele Autos von allen zuführenden Straßen gleichzeitig in den Kreis eingliedern wollen, es gibt keine Lücken. So werden die Zugänge abwechselnd gesperrt, dann geht es wenigstens ein kleines Stück weiter, bis zum nächsten Kreisverkehr mit gleichen Problemen. Immerhin findet der Uber-Fahrer nach etwa 1 Std ohne Probleme unsere Apartment-Anlage, die im Netz einige Male als schwer auffindbar bewertet wurde. Wie beschrieben geht es durch ein großes graues Tor, die Sicherheitsleute öffnen und sind freundlich. Der Fahrer will uns praktisch direkt vorm Apartment absetzen, scheint so üblich, obwohl ihn das ja noch mehr Zeit kostet. So brauchen wir wieder mal unsere schweren Rucksäcke nur ein kleines Stück zu tragen, schon sind wir drin. Die Fotos bei airbnb waren etwas vorteilhafter, so schnieke ist es nicht, aber groß und okay.

Hier verbringen wir die nächsten 5 Tage nebst einigen Ausflügen in die extrem wuselige Stadt. Beim Fotografieren müssen wir übrigens vorsichtig sein. Manche sagen, es geht im Zentrum gar nicht, weil irgendwelche sicherheitsrelevanten Einrichtungen auf keinen Fall abgelichtet werden dürfen. Andere sehen das lockerer. So versuchen wir, das eine oder andere doch einzufangen.

Nairobi ist erstmal sehr braunstaubig und keiner ändert etwas daran. Wäre wohl auch ein Kampf gegen Windmühlenflügel, nicht zu schaffen. In den Cafés, Restaurants im Zentrum (wir gehen mehrmals in's 'Java House', ist hier eine von einem einzigen Geschäft in Nairobi mittlerweile auf 50 Läden in Ostafrika angewachsene Kette) ist es sauber. Könnte auch irgendwo in Europa sein, wenn nicht alle Menschen schwarz wären, außer uns.

WLAN gibt es auch - mit entsprechenden Folgen ...

In manchen Geschäftsstraßen sieht es 'westlich' aus

Und es herrschen angenehme Temperaturen, wir sind hier fast 1.800 m hoch. Die Stadt ist voller Gegensätze, neue Geschäfts- oder Hotelhochhäuser, selten mit glänzenden Fassaden, meist auch mit braunem Staub bedeckt, direkt daneben Leerflächen, wo unbändiges Grün Müll überwuchert. Grobe Mauern, z. T. eingestürzt, an Grundstücken hier und da, Straßen mit gewaltigen Schlaglöchern. An den Rändern vom Regen ausgewaschene Trampelpfade auf braunem Sand, dazwischen grüne Bodenpflanzen, auf und ab, hoch und runter, es ist mal hügelig, mal matschig, die einzigen Wege für Fußgänger.

Und überall Menschen, viele Menschen, unfassbar viele Menschen, manche Männer im Anzug, mit guten Schuhen und gepflegtem, eiligem Blick und herausgeputzte Frauen mit engen Kleidern und hochhackigen Schuhen, manche elegant, geschäftsmäßig. Die Mehrheit in einfacher, auch heruntergekommener Kleidung, Sandalen, Flipflops an den nackten Füßen. Die Gesichter ernst, selten offen. Meist kurze Blicke treffen uns, seltener erstaunte, neugierige, die länger dauern. Wenn wir die Menschen freundlich anschauen und ihnen zunicken, öffnet sich das Gesicht und ein Lächeln, Nicken kommt zurück. Fast dankbar, unerwartet, vielleicht kaum zu glauben für sie, dass wir sie wahrnehmen und Interesse haben.

Wir kommen an den Uhurupark, ein Teil davon ist ein Rummelplatz, wie es ihn auch bei uns gibt, hier eben auf afrikanische Art. Auto-Scooter sind auch dabei. Es ist gerade islamisches Zuckerfest und viele Moslems sind mit der Familie hier, feiern das Ende des Fastenmonats Ramadan. Der ganze Park ist übersät mit Buden, Quads, Pferden, Tretbooten auf dem See, die Menschen vergnügen sich.

Links: Das Getränkeangebot auf dem Rummelplatz, rechts: Überall in der Stadt gibt es kleine Stände mit Eiern und Würstchen

Weiter geht's, am Straßenrand befinden sich neben den Schlaglöchern z. T. offene, untergründige Regenwasserkanäle (auch Abwasser?), gelegentlich mit mehr oder weniger zerbrochenen Betonplatten abgedeckt, wir müssen gut aufpassen, nirgendwo reinzutreten, Bürgersteige gibt's ja nicht. Dann plötzlich direkt daneben Hunderte von Pflanzen aller Art in Töpfen sorgfältig aufgereiht, anscheinend so etwas wie ein 'Gartencenter', aber kein Verkäufer oder Aufpasser zu sehen. Wir wundern uns.

Manchmal sehen wir auch kleine, primitive Hütten aus Holz und Blättern des Coconut-Trees als Abdeckung etwas zurück vom Straßenrand einfach so hingebaut. Dort leben ganze Familien, mit Feuerstelle und diversen schmutzigen Wasserkanistern für die Grundversorgung. Das alles befindet sich in Uppertown, also dem besseren Teil von Nairobi. Wie wir bei einer von ehemaligen (kriminellen) Straßenkindern geführten Tour in die Downtown-Bezirke sehen, gibt es noch ganz andere Lebensverhältnisse in der Stadt. Berge von Müll einfach so an manchen Stellen, z. B. einem Flusslauf, aufgeweichte, schlammige Straßen, kaputte Autos und Motorräder, die herumstehen.

Mitten in einem Gebiet, in dem kleine und große Autos repariert werden, stellen uns die Straßenjungs einen Künstler vor, der aus verschiedenen (Rest)Materialien diese wunderbaren, bunten Wagen hergestellt hat.

Riesige Märkte in primitiven, großflächigen Unterständen mit allem Möglichen, sehr einfache kleine schmuddelige Läden oder Werkstätten, auch Foodstores, die kein Ende zu nehmen scheinen. Und dabei haben wir noch nicht einmal die Slumgebiete hier gesehen. Schon hier wären wir ohne unsere Straßenjungs hoffnungslos verloren. Gewalttätige Überfälle, Raub, wenn nicht noch Schlimmeres wären ohne Begleitung für weiße Europäer unausweichlich. In einem der Foodstores gibt es etwas zu essen für uns, ist im Preis inbegriffen. Das ist jetzt schon mehr kenianisch, irgendetwas mit Gemüse. Die Jungs bekommen auch etwas, trinken Wasser dazu, das wir besser nicht trinken sollen. Wir haben aber eigene Flaschen dabei. Ok, nur leider ist das Essen für Geli der Beginn einer längeren Leidensperiode mit Durchfall, zieht sich über 'ne Woche hin.

Anm. Geli: Wir essen Reis mit Managu, das ist ein spinatähnliches Gemüse, was mir sehr gut schmeckt, nur leider (s.o.) ...

Die Jungs schildern uns beim Weitergehen auf verschlungenen Wegen ihre bisherige Lebensgeschichte und die ist brutal, traurig. Ganz offen reden sie über ihre kriminellen Praktiken, Fluchten und Tod. Polizisten fackeln nicht lange, 9 ihrer Freunde wurden erschossen, bevor sie  selber nach langen Jahren das "Glück" hatten, im Knast zu landen. Hier startete das Projekt "Our Streets, Our Stories", in dessen Rahmen auch wir teilnehmen. Unser Geld dient dazu, ihnen ein legales Einkommen zu ermöglichen und darüber hinaus auch andere, jüngere Kinder von der Straße zu holen, sie zu versorgen und zur Schule zu schicken.
Was wir in Nairobi erleben ist sehr interessant, gleichzeitig sehr bedrückend. Wir treffen auf bettelnde Mütter mit ihren Kleinkindern auf dem Rücken, wir sehen verkrüppelte Menschen über den Boden kriechen. Besonders für Geli ist das kaum auszuhalten, manches Mal will sie einfach nur noch weg. Auch mich beschäftigt das sehr, noch längst habe ich nicht verstanden, wie das Leben hier läuft, wie die Menschen so ticken, wie sie mit all dem umgehen. Kurze Einblicke, Eindrücke und schon überwältigend. Wie stelle ich mich dazu, wie gehe ich damit um? Ich könnte Seiten um Seiten füllen, soviel ist es jetzt schon.

Während ich das hier schreibe, liege ich gerade an dem drittletzten 'Urlaubs'tag unserer Reise auf einem gemütlichen Bett auf der Terrasse unseres Bandas No. 15 in der Hotelanlage "The Sands at Chale Island" an der Küste Kenias. Was für ein Gegensatz!

Was noch in Nairobi? Einkaufen in einem unserem Apartment am nächsten gelegenen "Supermarkt". Zu Fuß, Wege wie oben beschrieben, laut, stinkend, voll, wuselig, Massen von Autos, Menschen. Aber kein Gefühl von Gefährlichkeit. Der Laden liegt neben einem der überquellenden Kreisverkehre, über die wir mühsam hergefahren sind. Jetzt also zu Fuß hier rüber. Drinnen: Wenig von dem was wir kaufen wollen, viel abgepackte Ware, viel Leere, z. B. bei der Tiefkühlkost oder etwas anderem als Weich-Weiß-Brot. Aber: frische Milch, super! Und Wasser, wir nehmen 2 x 5 Liter, für unseren vielen Tee etc. Das Leitungswasser besser nicht. Weil wir Hunger haben, gehen wir in der 'Highway-Mall' nebenan in ein Kellerrestaurant, das ein bisschen wie ein kleines McDonald's daherkommt. Essen ist eher international als typisch kenianisch, gut, bekömmlich und günstig, weil keine Traumlage, aber WLAN. Auch bei dieser Unternehmung sind wir wieder die einzigen Weißen weit und breit. Unser Einkauf ist schwer, wir nehmen Uber (private Autofahrer, die Taxi anbieten), kostet nur ca. 2 €. Den Fahrer zu treffen, ist nicht ganz einfach, er muss ja erstmal durch die Massen zu uns kommen und draußen haben wir kein WLAN für die Verständigung. Klappt alles. Uber ist auch so gut, weil nicht mit Bargeld bezahlt wird. Der Fahrpreis steht vorher fest, wird von der Kreditkarte abgebucht, Trinkgeld kann nach der Fahrt dazugetragen werden. Also - auch in Nairobi - komplikationslos.

Wir gehen für einen weiten Blick über Nairobi auf das Dach des KICC-Hochhauses, dort arbeitet der Sitznachbar aus dem Flugzeug von Mauritius hierher. Nur heute nicht, es kommt ein Kollege. Wir zahlen den Eintritt und bekommen von ihm eine Führung mit ausführlichen Erklärungen, lustig, kompetent. Wir wollen noch etwas bleiben und für uns in Ruhe gucken. Er verabschiedet sich, nicht ohne uns darauf hinzuweisen, dass er jetzt ein Trinkgeld bekommen möchte. So läuft das hier, normal.

Für den Rückweg zu unserem Apartment später wollen wir einen der vielen Busse nehmen, die ununterbrochen herumkurven, dicke schwarze Abgaswolken ausstoßen und voller Menschen sind. Besonders zur Feierabendzeit, so gegen 16:30 bilden sich Hunderte Meter lange Schlangen vor den Abfahrtspunkten.

Rechtes Bild: Solche Schuhputzstationen gibt es zahlreich in der Stadt.

 

Unsere Straßenjungs hatten für uns gestern die richtige Busnummer ausfindig gemacht und - wir haben Glück - können sofort einsteigen. Dann dauert es allerdings bis es losgeht und es wird richtig eng.

Wir verfolgen die Route des Busses bei MapsMe und sprechen einen Mann vor uns an, ob der Bus tatsächlich zu unserem Ziel fährt. Er spricht mit dem 'Schaffner', der Tickets verteilt und während der Fahrt Leute durch die offene Tür in den Bus holt, zeitweise aussteigt und draußen herumläuft, nach einer Weile aufspringt. Kein Problem, die relativ langsamen Fahrphasen werden durch Stopps unterbrochen. Irgendwie bleibt es verbal unklar, ob es gut läuft für uns. Ich bin aber mittlerweile so vertraut mit der Struktur der Stadt, dass ich erkenne, in welche Richtung es geht und ob die passt. Der Bus macht Schlenker, die für uns nicht gut sind. Ohje, müssen wir wohl ein ganzes Stück laufen. Jetzt kommt eine Stelle, wo er für uns unbedingt links abbiegen müsste. Doch er ordnet sich rechts ein! Mist! Je näher er an die Kreuzung kommt, umso deutlicher erkenne ich, das ein Verkehrspolizist den gesamten Verkehr nach links umleitet, warum auch immer. Gut so, Bravo! Wir kommen in eine vertraute Gegend, einmal um den Kreisverkehr herum zurück in die Gegenrichtung, kurz danach nur noch der kleine Zuweg direkt zu unserem Zuhause. Der Bus hält, ob Haltestelle oder nicht, wir müssen ja raus. Alles gut in Nairobi, super ÖPNV.

Ein Besuch im sich kurz vor den Toren der Stadt befindlichen Nairobi-Nationalpark schenken wir uns, wir werden in den kommenden Wochen ja hoffentlich genügend Tiere sehen. Ich möchte aber noch unbedingt in's kenianische Nationalmuseum, weil es dort eine Ausstellung zur Entstehung der Menschheit gibt. Ein Thema, das mich sehr interessiert. Für kenianische Verhältnisse recht teuer (aber nur für Touristen) und nur begrenzte Darstellungen drinnen, das würde bei uns so nicht existieren können, finden wir beide. Ich bin trotzdem zufrieden, weil mir erklärt wird, dass sich die ersten Menschenformen wahrscheinlich in der Gegend um den kenianisch-äthiopischen Turkanasee (früher Rudolfsee) entwickelt haben und was davor und danach geschah. Ich sehe viele Schädel und sonstige Knochen, Millionen Jahre alt, lese von Vermutungen, dass sich frühe Menschenformen weit über Afrika hinaus über Teile der Welt verbreitet, sich dort weiter entwickelt haben und nach Afrika zurückgekehrt sind, wo dann schließlich der heutige Mensch entstanden ist - Homo sapiens. Jedenfalls belegen das entsprechende Knochenfunde. Es sind Erkenntnisse und Hypothesen dabei, die ich noch nicht kannte, das finde ich gut.

Nairobi ist nicht wirklich eine Stadt für Touristen, Nairobi ist für Afrikaner. Danke, dass wir ein bisschen da sein durften.