Sonntag, 12.08.2018

Dschungelerlebnisse

Unser Retreat (Anlage mit verschiedenen Unterkunftshäuschen, alle Wohneinheiten mit eigenem Bad und offenes Restaurant/Kneipe/Terrasse) befindet sich auf der südlichen Seite des Flusses, wohin man nur über eine stark schaukelnde Hängebrücke gelangt.

 

Dort ist es ruhiger, auch weil keine Motorräder fahren, auf dem nur schmalen Weg am Fluss entlang. Es gibt hier vereinzelt Unterkünfte, Kneipen, Restaurants und kleine Läden. Am frühen Abend (19:00 ist es dunkel) erkunden wir den Weg auf der Nordseite, der sich direkt unterhalb des eigentlichen Ortes befindet. Dort gibt es dicht gedrängt an einem ebenso schmalen Weg viele Bauten, mit Wellblechdächern, z. T. auch schick. Sie ziehen sich immer am Fluss entlang, mit diversen Essens- und Kleidungsangeboten etc., obwohl nur wenige Reisende unterwegs sind. Wir werden überall freundlich gegrüßt, aber nicht bedrängt. Ab und zu begegnen uns Motorradfahrer, die teilweise schwer beladen geschickt auch durch schmalste Stellen steuern. Ganz am Ende finden wir das Garden Inn, nett eingerichtet mit viel Holz, gedämpftem Licht und guter (westlicher ... ) Musik, wo wir zu Abend essen. Wir fühlen uns wohl.

Nach einem ruhigen Tag im Retreat gehen wir wieder ein bisschen bummeln und laufen bis an den Anfang des Ortes. Bis dorthin erstrecken sich bereits die leidigen Palmöl-Plantagen, die soviel Naturlandschaft verdrängt haben. Gestoppt werden sie nur durch den unzugänglichen Gunung-Leuser-Nationalpark, in dem wir morgen übernachten wollen. Um 19:00 findet die Vorbesprechung statt, mit Hinweisen zu Gepäck und Kleidung.

9:00 Abmarsch in einer 8er Gruppe einschließlich zwei einheimischen Führern. Außer uns noch Gabriel, 21-jähriger Österreicher, zwei Franzosen und eine Französin, alle 26-jährig. Kaum haben wir den ersten Hang erklommen, sehen wir die ersten kleinen Affen in den Bäumen.

Und so geht es den ganzen Tag weiter. Wir begegnen jeder Menge Orang Utans und anderen Affen, großen und kleineren, teilweise ganz nah.

Dieses Video haben wir persönlich aufgenommen. Wir konnten es  aber nur über YouTube hier hochladen.

Die hier lebenden Orang Utans wurden vor Jahren aus Gefangenschaft befreit und über eine Auswilderungsstation wieder an das Leben in der Natur gewöhnt. Mittlerweile haben sie natürlich auch Nachkommen gezeugt. Sie sind an Menschen gewöhnt und deswegen aus der Nähe zu beobachten.

Auf unserem weiteren Weg gibt es zwischendurch geschnittene Früchte und sogar eine warme Mahlzeit mit Reis, Gemüse und Fleisch, alles lieb zubereitet von unseren Guides.

Plötzlich taucht Mina auf, eine Orang Utan Dame, von der wir schon in Deutschland gelesen hatten. Sie gilt aufgrund schlechter Behandlung durch Menschen während ihrer Gefangenschaft als aggressiv und auch unser Guide Ren hat mächtigen Respekt, zeigt uns eine vernarbte Wunde, die sie ihm zugefügt hat. Er schickt uns mit seinem Assistenten schnell voran, geht auf sie zu und versucht sie abzulenken. Das gelingt so einigermaßen und wir erreichen trotz der extremen Steigung zügig das nächste Plateau, da hat uns wohl ein bestimmtes Gefühl angetrieben ...

Wir wähnen uns nun in Sicherheit, Ren kommt dazu, guckt aber etwas besorgt den Weg zurück. Und tatsächlich - Mina kommt! Geli will unbedingt noch ein Foto machen, wir anderen hetzen den nächsten Hang hoch. Oben angekommen beruhigt uns Ren, alles ok! Der Grund? Die nächste Gruppe hat Minas Blickfeld erreicht und sie müssen nun sehen wie sie zurecht kommen.

Wie gesagt, das Gebiet ist unzugänglich und so kraxeln wir den ganzen Tag schweißtreibend steile Hänge hinauf und hinunter, z. T. matschig, z. T. mit großen Abständen zwischen Trittmöglichkeiten - insgesamt 11,6 km.

Körperlich ist es für mich schon anstrengend, so ohne Training in den letzten Wochen. Geli, die kleine "Bergziege", kommt gut zurecht.

Am späten Nachmittag erreichen wir das "Dschungelcamp" am Fluss. Erstmal jetzt in der 6er Gruppe unseren Schlafunterstand aus Bambusstäben mit schwarzen Plastikplanen beziehen.

Es gibt jeweils eine schmale, kunstlederbezogene Matratze mit Mini-Kopfkissen und Bettbezug zum Reinkrabbeln, alles überdeckt von Moskitonetzen, die an der Decke aufgehängt sind.
Nun schnell Badezeug an und abkühlen im Fluss. Während wir das erfrischende Wasser und die starke Strömung genießen, bereiten Ren und seine Kollegen das Abendessen vor. Sie legen eine große Plane aus, polstern sie mit einigen Isomatten und kredenzen in der Mitte auf großen Palmblättern leckere Gerichte, die extra für uns etwas weniger gewürzt sind - mehr hätte es auch nicht sein dürfen.

Es entwickelt sich eine gelöste, heitere Atmosphäre, wir fühlen uns hier bei Kerzenlicht in der wilden Natur irgendwie verbunden miteinander. Nicht zuletzt ist das auch Rens Verdienst, der zwar mit dieser Arbeit hier sein Geld verdient, das alles aber mit einer tiefen Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft, Umsicht, lustigen Anekdoten und Fachkenntnissen betreibt (in ganz gut verständlichem Englisch!), was uns schwer beeindruckt.
Die Nacht ist nicht so prickelnd, 21:00 hinlegen, irgendwie kaputt aber doch nicht richtig müde, viele Geräusche, Toilettengänge ohne Licht. Am nächsten Morgen schöner Sonnenschein, wir bekommen Frühstück und viel heißen Tee, worüber Geli und ich uns besonders freuen. Danach führt uns Ren zu einem halb im Gebüsch versteckten Waran.

Wir laufen wir ein Stück am Fluss entlang, wieder macht uns Ren auf ein besonderes Tier aufmerksam, diesmal einen fliegenden Käfer. Der hat es Geli besonders angetan.

Jetzt gelangen wir zu einem Wasserfall mit Tauchbecken, klettern im Wasser hoch, werden wie Dschungelbewohner geschminkt,

 

baden wieder im Fluss, machen viele Fotos, lachen. Der Altersunterschied spielt keine Rolle, es geht uns allen richtig gut. Nach einer leckeren Nudelsuppe und erneut vielen Früchten

geht's dann an die Rück"fahrt" mit aneinander gebundenen großen Schlauchreifen über den wilden Fluss bis zu unserer Unterkunft, das macht uns großen Spaß!

Nach dem Duschen und Zur-Ruhe-Kommen spüre ich starken Muskelkater und mir ist auch ein bisschen schlecht. Muss mich wohl noch ein bisschen akklimatisieren. Also Ruhe.
Heute: alles wieder gut!

Nachtrag mit etwas Abstand: der Besuch des Nationalparks lässt uns ahnen, wie hier mal intakte Natur ausgesehen und funktioniert hat. Durch die vielen Besucher, z. T. mit Übernachtung in den speziell hergerichteten Camps, wird jedoch einiges zerstört und vermüllt. Auch wenn sich alle bemühen, den Müll wieder mitzunehmen und möglichst wenig Spuren zu hinterlassen: wir haben u. a. jede Menge Klopapier, Speisereste, Zigarettenkippen herumliegen sehen. Es wird eine Klogrube nach der anderen ausgehoben und so viele Plastikplanen-Hütten gehören einfach nicht in ein Naturschutzgebiet. Irgendwo habe ich mal gehört: Uns treibt die Sehnsucht nach dem "Paradies", sobald wir es erreichen, zerstören wir es allein durch unsere Gegenwart. Also nur vom "Paradies" träumen?

Die nächsten Tage besuchen wir ein Naturschutzprojekt. Sind gespannt, was wir dort zu hören und zu tun bekommen.

Es gibt übrigens in der ARD-Mediathek einen Film, der genau die Gegend hier darstellt und auch in Ansätzen kritisch die Palmöl-Problematik thematisiert. Von den negativen Auswirkungen des Tourismus allerdings kein Wort. "Der wilde Norden Sumatras". Einfach "Sumatra Orang Utans ARD" eingeben. Thomas, unser Gastgeber, mit dem wir uns immer mal wieder austauschen, tritt dort auch auf.