Sonntag, 12.08.2018

Disco am Rande des Dschungels

Heute ist nicht viel passiert. Außer dass in einem kurzen unbeobachteten Moment direkt neben Geli ein Thomas Leaf Langure ihre letzte Feigenration aus Deutschland stiebitzt hat, um sie dann trotz der kompliziert zu öffnenden Tüte auf dem Dach genüßlich zu verzehren.

Tondi, ein 19jähriger Mitarbeiter des Retreats, der sich von Anfang an um uns gekümmert hat, sitzt immer mal wieder bei uns und es gibt nette Gespräche - auf Englisch, was sonst. Das erstaunt mich und ich frage ihn, wo er das gelernt hat. Ein bisschen in der Schule, ein bisschen in einem Kurs im Dorf letztes Jahr und auch mit Hilfe des Internets, ist die Antwort. Obwohl sein Wortschatz an einigen Stellen größer ist als meiner, hapert es hier und da an der Grammatik. Es entwickelt sich eine kleine Englischstunde, bei der er sich wissbegierig und gelehrig zeigt. Kein Wunder, hat er doch eine ausgewiesene Fachkraft vor sich.

Ein bisschen aufgeregt ist er auch, denn heute abend gibt es Live-Music und er spielt in der Band! Ich hatte ihn schon ab und zu auf einer akustischen Gitarre herumschrammeln hören und war nicht so angetan davon. Mal seh'n, wie es heute abend wird.

Ausgeruht sitzen wir gegen 21:00 bereit und sind zunächst mal enttäuscht, wie wenig Leute gekommen sind. Irgendwann beginnt die Band und sie machen es richtig gut - vor allem Tondi überrascht mich mit seinem virtuosen Leadgitarren-Spiel! Es gibt allerdings kaum Beifall, wir klatschen umso lauter. Ich denke an Urlaube in den 70ern zurück, wo z. B. auf Sardinien bei Auftritten lokaler Bands der Bär los war. Aber: je später es wird, desto voller! Massen junger europäischer Frauen - ich bin fast versucht Mädchen zu sagen - strömen heran mit nur wenigen männlichen Begleitern und also in der Folge dann auch, wie von Magneten angezogen, junge einheimische Männer. Das was sich dort jetzt abspielt, ist Sache dieser Generation und wir denken langsam an Rückzug. Obwohl es auch spannend ist zu sehen, wie die Männer trotz sprachlicher und kultureller Unterschiede ausgefeilte, auf das jeweilige Objekt der Begierde individuell abgestimmte Balzstrategien mehr oder weniger erfolgreich ausprobieren. Jedenfalls geht jetzt auch hier die Post ab. Zwischen den Bandauftritten wird von einem DJ Musik aufgelegt, auf die die jungen Leute nur zu warten scheinen. Die Musik der Band ist mehr unsere Richtung, von Metal über Red Hot Chilli Peppers bis Robbie Williams. Die jungen Leute feiern und singen alles mit. Es wird viel geraucht und Alkohol getrunken - anscheinend kein Problem trotz islamischen Glaubens. Gegen 2:00 nachts ist dann mal Ruhe, wir nehmen es gelassen, anders als unsere italienischen Zimmernachbarn, die ein solches Spektakel heute abend nicht erwartet hatten und ziemlich genervt sind.