Montag, 25.02.2019

Auf in den Norden Neuseelands - endlich wärmer!?

Es ist eine ziemlich große Fähre, die uns hinüber bringt durch die Malborough Sounds auf die Nordinsel nach Wellington, Hauptstadt Neuseelands.

 

Dreieinhalb Stunden tolle Fjordlandschaft (von der wir den ersten Teil ja schon kennen) mit vielen Buchten, Engstellen und dann auf's offene Meer über die Cook-Straße.

Der Wind weht heftig, auf dem Außendeck suchen wir uns geschützte Ecken um zu staunen (... und die Sonne zu genießen).

Drinnen sitzen wir mit Handgepäck in der Nähe einer Cafeteria. Großes Gepäck wird wie im Flughafen vorher eingecheckt. Wen treffen wir dort? Das dänische Paar, mit dem wir im Abel-Tasman Nationalpark paddeln waren! Überraschung, Freude, Geschichten hin und her, nett und schön wie immer.

In Wellington haben wir nach längerer Zeit mal wieder die Transportorganisation zu bewältigen zu unserer airbnb-Unterkunft bei Louisa, die mitten im Zentrum wohnt. Mit 'Uber'-Taxi bekommen wir es hin, auch wenn es nicht ganz einfach ist, dass der Fahrer und wir uns in dem Gewusel von Autos, Bussen und Menschen am Fährterminal finden. Die Wohnung ist hell und schön eingerichtet, mal was anderes nach der Backpacker-Alternativ-Unterkunft in Picton.

Unser Zimmer ist allerdings klein und wir können uns nicht bedenkenlos in Küche und Wohnzimmer ausbreiten, weil Louisa zwar geschrieben hat, dass sie sehr "busy" wäre, aber tatsächlich z. Zt. nicht arbeitet und viel zuhause ist. Unternehmen wir halt mehr in der Stadt und essen mal außerhalb.

Was machen wir? Viel in der wuseligen Stadt (u. a. Cuba Street) und an der Seepromenade herumlaufen, einmal auch im Rahmen einer Stadtführung, bei der wir einen guten Überblick und viele Hintergrundinfos bekommen. Die Dame führt uns u. a .zu einer schönen alten Holzkirche, die für Hochzeiten etc. und Veranstaltungen aller Art gemietet werden kann. Die Bänke werden dann abgeschraubt.



Was noch? Eine wunderbare 40 km Radtour mit an sich guten Rädern, die Geli günstig über book.me besorgt. Immer am Wasser entlang und über einen Berg zurück in die Innenstadt.

 

Anm. Geli: Am Strand beobachten wir diese, an Neuseelands Küsten endemischen  Vögel mit orangenen Schnäbeln, die so genannten neuseeländischen Austernfischer. Es ist sehr lustig anzusehen, wie sie alle anderen Vögel konsequent verscheuchen. 

Unterwegs wird dann aber eine kleine Reparatur an meinem Rad nötig. Die Inbusschraube, mit der die Tretkurbel befestigt ist, hat sich gelockert. So rutscht die Tretkurbel bei jeder Umdrehung ein bisschen durch, nervt. Erst versuche ich es mit dem Finger und kann die Schraube tatsächlich etwas fester ziehen, so lose ist sie schon. Hält aber nicht lange. Auf der Strecke haben wir eine andere Radgruppe mit E-BIKES (wie kann man/frau nur ...) vom gleichen Verleiher überholt (!), die auch noch von einem der Mitarbeiter geführt wird! Das ist jetzt die Hoffnung, während wir am Strand Pause machen, vielleicht hat der Werkzeug dabei. DIe Gruppe kommt aber nicht, wir haben sie wohl gänzlich abgehängt. Am Straßenrand wird gearbeitet, ich frage die Männer nach Werkzeug. Das passende haben sie nicht, versuchen trotzdem zu helfen, hält nicht lange. Wir kommen durch einen Ort, ich suche nach einer Tankstelle o. ä.. Nix. Da ist ein altes Werbeschild für einen Klempnerbetrieb an einem Haus, versuchen, rufen, fragen. Erstmal bellt wuchtig ein großer Hund und streckt seinen Kopf durch das Eingangstor. Ein Mann kommt und huch, öffnet das Tor, einfach so. Der Hund ist friedlich, der Mann freundlich. Er versteht, was ich erzähle und zeige, ich komme mit meinem Englisch zurecht! (Obwohl Geli im Hintergrund Korrekturen vor sich hinmurmelt) Und er hat den passenden Inbusschlüssel. Den gibt er mir nicht nur nicht, er macht es gleich selber und zieht so fest, dass ich schon um die Schraube fürchte. Den Rest des Weges ist alles gut. Auch am langen Anstieg (der erwähnte Berg, puh, da geht es aber lange ganz schön hoch), den ich relativ schnell angehe, weil es mir im kleinsten Gang irgendwie zu mühselig ist, keine Probleme. Außer japsen, schwitzen und Durst, großen Durst! Deswegen brauche ich oben angekommen etwas zu trinken, jetzt und sofort.

Geli hat eine andere Taktik, ihr fällt es beim Berge-Hochfahren leichter, langsam im ganz kleinen Gang zu treten. Sie braucht länger, dafür kennt sie japsen und schwitzen gar nicht. Jedenfalls hat sie das Geld und das Schloss bei sich und ist weit und breit nicht zu sehen. Ich bemerke oben einen kleinen Lebensmittelmarkt in einer Seitenstraße und ich habe Durst, jetzt und sofort! Wie mache ich das nun? Fahrrad an der Ecke stehen lassen - unangeschlossen - in der Hoffnung, dass sie es sieht und nicht vorbeifährt und keiner klaut, dem Supermarktbesitzer erklären, dass er sein Geld später bekommt und trinken!!! Genauso klappt es. Als ich mit der Flasche am Mund zurückgehe, steht Geli schon am Rad, guckt sich suchend um und - hat auch Durst!

Wir haben während der Zeit auf der Südinsel gelegentlich die Tagesthemen aus Deutschland geguckt und dabei die Diskussionen um den Brexit ein bisschen mitbekommen. Die für mich merkwürdigen Riten im englischen Unterhaus haben mich amüsiert und iinteressiert. Irgendwann vorher auf unserer Reise hatte uns jemand erzählt, dass es im Parlament in Wellington ähnlich zugehen würde. Während der Stadtführung wurde das auch kurz angeschnitten. Geli bucht also für uns eine Besichtigungstour mit Teilnahme an einer Sitzung des Parlaments.

Rechts das historische Parlaments-gebäude, links der 'Bienenstock' für die Abgeordnetenbüros ("beehive")

Bei unserer Ankunft findet gerade eine Klimaschutzdemonstration statt, da reihe ich mich gerne ein ... (letzte Reihe) 

Die Besichtigung ist beeindruckend, besonders die nachträgliche Sicherung des Hauses gegen Erdbeben, die wir im Keller erklärt bekommen. Das riesige historische Gebäude 'schwebt' auf beweglichen Stützen. Unglaublich was heute technisch machbar ist. In der Sitzung erleben wir die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern, die in den Medien zunächst viel Beachtung gefunden hat, weil sie zu Beginn ihrer Amtszeit ein Kind bekommen hat. Es ist ihr aber mittlerweile gelungen, durch ihre sozialen Schwerpunkte in der Politik Aufmerksamkeit zu erzielen. So wurde der Mindestlohn erhöht, die Elternzeit verlängert, mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau und das Gesundheitssystem gesteckt. Im Parlament tritt sie "tough" auf, weiß sich zu behaupten zwischen all den sonstigen männlichen Rednern. Ich verstehe nicht alle gesprochenen Worte, bekomme aber die Atmosphäre des kultivierten Streits und ein paar Inhalte über die Unterlagen mit, die uns zur Verfügung gestellt wurden. Fotografieren dürfen wir dort nicht.

Anm. Geli: Auf den Straßen in der Nähe des Parlamentsgebäude sehen die Lichtzeichen der Ampeln übrigens so aus: (Bild bitte vergrößern)

Sie erinnern an die Frauenrechtlerin Kate Shepphard, die zusammen mit anderen neuseeländischen Frauen erreicht hat, dass dieses Land als erstes  das Frauenwahlrecht eingeführt hat. Und zwar im Jahr 1893! (Zur Erinnerung: in Deutschland passierte dies im Jahr 1918 und in der Schweiz gar erst in allen Kantonen im Jahr 1971). Dazu passt auch das folgende Plakat aus einer Ausstellung zur Frauenrechtsbewegung im 'Te Papa' Museum, welche ich am folgenden Tag besuche: 

Die Entscheidung zur Art unserer Fortbewegung auf der Nordinsel ist gefallen: kein Campervan. Ein kleines Auto soll es ab nächster Woche sein. Wir werden uns dann Unterkünfte bei airbnb, booking.com und Co. suchen. Im Internet finde ich ein sehr gutes Angebot, Filiale in Wellington. Wir laufen hin, ganz schön weit. Der Preis ist kaum zu glauben, mal fragen, ob das alles so stimmt. Und ob es nur Schrottautos dafür gibt. Ergebnis: alles gut, 13,20 € pro Tag, Mazda 2, 7-10 Jahre alt, gepflegt und gut in 'Schuss'. Manches Mal haben wir für 2 Fahrräder 60 €/Tag bezahlt. Dazu: wir werden per Auto mit allem Gepäck von unserer Unterkunft abgeholt am Morgen der Abreise aus Wellington. Super! Gebucht! Kein Problem, mich als Fahrer einzutragen, die Sache mit dem deutschen Führerschein muss ich bei einer Kontrolle ggf. selber klären.

Im Museum 'Te Papa' verbringen wir einige Zeit damit, die ausführliche Präsentation maorischer Kultur und die Auswirkungen darauf durch die europäische Besiedlung anzuschauen. Da passt es wie die Faust auf's Auge (was ist das für ein merkwürdiger Vergleich? Aber vielleicht in diesem Zusammenhang dann doch irgendwie passend), dass ich aus den Panoramafenstern des Museums auf einem weitläufigen Gelände eine große Gruppe Maoris sehe, die einen tanzend und singend, die anderen drumherum. Dabei machen sie bei einigen Aufführungen die typischen Gesten wie aufgerissene Augen, herausgestreckte Zungen, Kampfgebärden. Sie waren schon immer ein 'Kämpfervolk' um die besten Ressourcen im jeweiligen Siedlungsgebiet. In ihren Geschichten geht es jetzt aber auch um die Reaktion auf und Verarbeitung von tragischen Begegnungen mit Europäern und deren Kultur. Was ich dort sehe, fasziniert mich sehr. Das ist keine Touristenveranstaltung, das machen sie für sich selbst. Ich suche Geli und will da runter. Das dauert und als wir endlich auf dem Platz ankommen, löst sich die Versammlung gerade auf. Bin sehr enttäuscht und bleibe einfach auf dem Rasen sitzen, beobachte die Menschen, versuche in ihren Gesichtern zu lesen, in ihrem Habitus, in ihrem Miteinander. Irgendwie berührt mich die Begegnung hier sehr, ohne Worte, es ist die Stimmung, Energie, Schwingung oder wie immer ich das nennen soll. Schließlich spreche ich einen jüngeren Mann an und frage nach dem Grund für die Ansammlung hier. In Wellington findet in diesen Tagen die alljährliche große Versammlung von Vertretern aller maorischen Stämme in Neuseeland statt. Hier wird der Geschichte, den Ahnen gedacht, aktuelle Politik abgesprochen, getanzt, gesungen, geweint, gelacht, voller Stolz. Wir kommen an einem anderen Tag noch einmal hierher, hören temperamentvolle Reden auf maorisch, sehen wieder kurze Tänze und Gesänge.

Alle können dabei sein, sich drumherum gruppieren, keine Absperrung. Ich sehe Maoris, stark tätowiert, auch im Gesicht, würdevolle Bewegungen, ich sehe hellhäutige Maoris, tobende Kinder verschiedenster Hautfarbe, Weiße, nah dabei mittendrin oder interessiert drumherum, wie ich. Geli ist nochmal im Museum. Es gibt viele Verbindungen zwischen Weißen und Maoris, das wirkt hier anders als in Australien zwischen Aborigines und Weißen.

Es gefällt uns in Wellington, wir wollen länger bleiben. Das geht nicht bei Louisa, sie hat neue Gäste, vermittelt uns an einen Freund, Jarred heißt er. Hoch am Hang überm Meer suchen wir die Straße ab nach dem Weg zu seinem Haus, die schweren Rucksäcke haben wir abgestellt, Geli passt auf. Uns ist ein schwieriger, längerer Abstieg angekündigt worden. Schließlich finde ich den schmalen, steilen Pfad, wir stehen vor dem - verschlossenen Haus. Alles Klopfen, Rufen nützt nichts, keiner da. Unter Jarrads Nummer läuft nur der AB, also nochmal Louisa anrufen. Nach kurzem Hin und Her hat sie den richtigen Tipp: Schlüssel unter der Matte. Im Haus sieht es etwas unordentlich und nicht so ganz sauber aus. Später erfahren wir, dass Jarred am Tag unserer Abreise hier auszieht. Unser Zimmer ist aber richtig gut, frische Bettwäsche, sauber. Der Ausblick vom Wohnzimmer ist fantastisch, wir richten uns ein, bereiten uns etwas zu essen, ganze große Küche für uns, alles da.

Jarred und seinen Mitbewohner lernen wir in den 2 Tagen nur kurz kennen.

Der Stadtberg in Wellington heißt Mount Victoria, den soll man 'machen'. Erst steile Straßen, dann Waldwege, die plötzlich ohne Alternative zu Mountainbike-Trails werden. Wir müssen sehr aufpassen, eine Fahrerin kann gerade noch ausweichen, erschrickt sich. Oben ein toller Blick, kalter Wind, Jacken dabei, gut.

Zum Abschied am letzten Spätnachmittag ein Café in der Nähe des Meeres mit Liegewiese und Sitzsäcken, entspannte Atmosphäre,  schöne warme Sonne. Also wenn sie scheint, ist es schon wärmer als auf der Südinsel, macht sie aber leider nicht immer und dann ist es auch hier kühl bis kalt. 

Lustig: Hier sieht die Bedienung des Cafés an der Nummer meines Hutes, wo er/sie die Bestellung hinbringen muss!

Die komfortable Abholung zu 'unserem' Mietwagen klappt wie verabredet.

 

Nun geht's Richtung Norden nach Turangi am Lake Taupo, in der Nähe des Tongariro Nationalparks, wo es eine der schönsten Wanderungen der Welt geben soll. Ruhe wollen wir uns aber auch gönnen, haben ein Studio mit Vollausstattung für uns allein im Angler's Paradise gemietet (kannste direkt so in's Deutsche übernehmen, heißt genauso). Das Wetter soll schlechter werden. Es regnet, wir faulenzen. Kaufen ordentlich ein, Selbstversorgung rund um die Uhr.

Erkundigungen ergeben, dass der notwendige Transfers-Dienst für das von uns geplante spektakuläre Tongariro Alpine Crossing (die besagte Wanderung) nur bei stabil gutem Wetter (vor allem bezüglich des Windes) stattfindet. Das heißt warten, letztlich 5 Tage bis alles passt. Wir verlängern und bleiben 7 Tage vor Ort. Bevor das große Abenteuer beginnt, nutzen wir die direkte Umgebung: kleine Wanderungen und eine rasante Mountainbiketour am hiesigen Fluss entlang mit vielen kleinen Steigungen und Abfahrten, kurvig, auf schmalen Spuren durch dichten Wald, über Hängebrücken, macht uns großen Spaß.

Wenn auch nicht durchgehend, aber immer mal wieder schickt die Sonne Wärme und schönes Licht.

Anm. Geli: Immer mal wieder gibt es auch Brombeerbüsche mit dicken leckeren Beeren. Wir probieren ausgiebig,

Ich habe das Gefühl, dass mir davon schwindelig wird. Am nächsten Tag lesen wir auf einem Schild, dass manche Büsche mit Herbiziden besprüht worden sind  ... (sie gelten hier als "pest", also als invasiv wachsender Schädling). Warum allerdings nicht überall diese Warnschilder sind, verstehen wir nicht!

Der Fluss, an dem wir uns bewegen, ist weithin bekannt für die Fliegenfischerei. Wir sehen mehrere kunstvoll agierende Angler (daher der Name unserer Unterkunft). Einer erklärt uns wie das so geht, wieviel sie fangen und dass meistens der Fisch zurück in's Wasser gegeben wird, es geht mehr um den Sport.

Auf einem Waldspaziergang umrunden wir einen versteckten See in den Bergen und entdecken beim Herumfahren wie es hier und da aus der Erde dampft. Wir sind nun in dem Gebiet angekommen, wo geothermische Vorgänge an der Erdoberfläche massiv erlebbar werden. Hier ist die Erdkruste aufgrund der Kollision zweier Kontinentalplatten brüchig. Das heiße Erdinnere macht sich bemerkbar, meistens in kleinen Dosen, manchmal in dramatischen Ausbrüchen und Erdbeben. Wir entdecken dampfende Löcher direkt neben der Straße, aus denen heißes Wasser sprudelt. Und einen kleinen Park mit heißen Thermalquellen nebst daraus gespeistem Bad. Besuchen? Vielleicht später noch.

Was für eine Spinne sitzt da in der Mitte der Farnwedel?

Es ist Geli oder zumindest ihr Schatten!

 

Dann ist es soweit, Wetter richtig gut, wir buchen den Transfer vom Autoparkplatz am Ende der Strecke zum Startpunkt, wollen die knapp 20 km lange Wanderung an den Vulkanen entlang wagen. Extrem steile Aufstiege und Abstiege über losen, rutschigen Geröllschotter sind angekündigt, aber auch ca. 2000 Leute, die ebenfalls auf diese Bedingungen gewartet haben. Mal sehen, wie es wird ...