Donnerstag, 06.09.2018

Was geht so

Es kehrt Reisealltag ein. Bei strahlendem Sonnenschein langsames Übersetzen auf der 'slow ferry' zum "Festland", gut zum Abschiednehmen von unserer Insel.

Gespräche entwickeln sich wieder mit einer einheimischen Englisch-Lehramt-Studentin muslimischen Glaubens und einer Medizin-Studentin aus Deutschland, die gerade Famulatur in einem Krankenhaus in Padang gemacht hat, einem unserer nächsten Reiseziele.
Die Stadt am Fährhafen kennen wir schon, die Unterkunft auch. Am nächsten Tag geht's mit Grab-Taxi zum Flughafen, die Abläufe spielen sich ein. Im Flieger Bekanntschaft zum netten Sitznachbarn, einem Geschäftsmann aus der Großstadt Medan, wo wir alle heil ankommen wollen, trotz der Fluggesellschaft von der schwarzen Liste, Lion-air. Rattert und knarzt hier alles lauter als in den bisherigen Flugzeugen?
Wir steigen schon ein bisschen erleichtert aus und werden vom netten Mann zum Zug in's Zentrum und an der richtigen Haltestelle hinaus begleitet.

Unser Hotel hat diesmal mehr Sterne, fünf stehen auf der Seite im Internet. Die Kosten dafür halten sich sehr im Bereich des Bezahlbaren, so gönnen wir uns das. Erstmal müssen wir aber die wohl längste Strecke bisher laufen mit unseren Rucksäcken. Zwei davon hat jeder plus mein Umhänger mit Papieren und Geld plus Gelis Tüte mit Wanderschuhen, die ich seit Beginn verständlicherweise tragen darf (sie findet nämlich Plastiktüten ganz schrecklich). Wir schaffen das ganz gut.
Mit dieser Ausstattung, meinen kurzen Hosen und Sandalen komme ich mir irgendwie klein vor in Anbetracht der vielen Sterne. Unser Zimmer im 10. Stock ist dann ruhig, kühl und sauber, aber alles ein bisschen alt. Also doch nur drei deutsche Sterne, ich wachse wieder. Außerdem kommt am nächsten Morgen zum Frühstücksbüfett meine beste Kleidung zum Tragen, ordentliches Hemd, helle lange Hose. Geli mit Kleid passend angezogen - wir können uns beruhigt der Speisenauswahl widmen. Es gibt viel Deftiges, eher Brunch. Die Auswahl ist riesig, für uns werden es Croissants, angedeutetes Körnerbrot, Omelette, Marmelade, frische Waffel und - viel Tee! Die überaus freundliche Bedienung erkennt schnell, dass wir den Tee nicht nachgeschenkt haben möchten, sondern lieber die ganze Kanne auf unserem Tisch stehen bleiben soll. Kein Problem.

Am nächsten Morgen steht dann die Kanne bereits auf dem für uns reservierten Tisch.
Wir lassen den jetzigen Tag erstmal ruhig angehen. Mit Hilfe einer jungen Frau an der Rezeption unseres Hotels versuchen wir unsere Weiterreise zum Tobasee zu organisieren, einem riesigen Kratersee inmitten Sumatras mit schönen Landschaften und interessanten gesellschaftlich-kulturellen Aspekten.

Im Internet kursieren die wildesten Geschichten über die Fahrt dorthin mit dem öffentlichen Bus. Abzocke bis zum Geht-nicht-mehr mit Androhung von Gewalt etc. Die Fahrt selber kostet eigentlich nur 2,40 €, aber am riesigen Busbahnhof ist es schwer, bis zu dem Bus mit diesem Preis durchzudringen. Die Frau an der Rezeption weist in ihrem etwas eingeschränkten Englisch auch gleich auf diese Verhältnisse hin (... it's dangerous! Why? Nur zu ahnen was sie meint). Jedenfalls kann sie uns eine Fahrt im Privattaxi für 48,- € anbieten. So einfach wollen wir das nicht oder im Geli-Sprech: "definitely too expensive"! Nach einigen Telefonaten noch ein Angebot: 4,80 €/Person im Sammeltaxi mit Abholung direkt vorm Hotel um 6:00 morgens, Stirnrunzeln. Dann doch erst um 9:00. Es ist nicht allzu schwer für Geli, Abenteuer-Peter von den Vorteilen zu überzeugen und so sagen wir zu, bekommen einen Zettel mit einem Vornamen und einer Telefonnummer.

Da es trüb ist und nicht viel anzusehen gibt laut Reiseführer, schauen wir im Hotelzimmer auf Gelis Tablet über WLAN ein paar Beiträge aus der ARD-Mediathek an.

Später raffen wir uns auf und laufen zu einem Einkaufszentrum, wo wir essen, etwas Obst und eine neue Sonnenbrille kaufen. Den Pool im Innenhof des Hotels schaffen wir nicht mehr, schon wieder müde. Im TV laufen amerikanische Filme mit indonesischen Untertiteln, muss nicht sein.
Richtig früh um 7:45 aufstehen, wir schaffen das! Schnelles Frühstück (ich finde noch zartschmelzende Haferflocken und frische Milch, hhmm), schnelles Packen, 8:50 stehen wir vorm Hotel - und es tut sich 35 Minuten nichts. Ein freundlicher Mann, dessen Funktion unklar ist, steht mit anderen Männern, die eindeutig zum Hotel gehören, neben uns. Auf Gelis Nachfrage ruft er für uns die Nummer von unserem Zettel an. Ergebnis: wir sollen zum Mega-Travel irgendwo in der Stadt kommen. Häh? Die kennen Geli wohl nicht! Etwas anderes war vereinbart! Sie saust mit dem Fahrstuhl hoch zur Hotelrezeption im 9. Stock, ich bleibe beim Gepäck. Jetzt bekommt der freundliche Mann einen Rückruf. Wir sollen warten, in 5 Minuten kommt jemand, der uns abholt zum Mega-Travel. Die Minuten rasen dahin, wo bleibt Geli? Schließlich bitte ich einen Hotelmitarbeiter, in der Rezeption anzurufen und "Angelika" herunter zu bitten. Ich stehe ungeduldig drinnen vorm Fahrstuhl und hoffe damit telepathisch irgendwie die Abläufe beschleunigen zu können. In dem Moment fährt das angekündigte Auto vor und der Fahrer lädt bereits unser Gepäck ein. Mittlerweile wissen nämlich alle Menschen vorm Hotel, was bei uns abgeht und haben ihn entsprechend angewiesen.

Sie kommt!

Und Abfahrt!

Sehr, sehr viel und dichter Verkehr. Der Fahrer ist ein As was schnelle Fahrzeiten in diesem Gewusel angeht. Bei mir beschleunigt sich der Herzschlag leicht und ich kann mir wieder nicht vorstellen, hier selber hinterm Steuer zu sitzen. Trotzdem ist bei allen Fahrten, die wir bisher gemacht haben, nichts passiert, auch wenn nach meinem Empfinden dabei manches Mal nur Millimeter gefehlt haben.

Mega-Travel stellt sich als kleiner Unterstand am Straßenrand heraus. Einige Männer tun mehr oder weniger geschäftig und versuchen uns eine Fahrt zu zweit für viel mehr Geld zu verkaufen. Schließlich sollen wir unser Ticket bezahlen, jetzt 5,40/Person. Nein, 4,80! Wenn ich das hier so lese, kommen mir das irgendwie lächerlich vor. In der Situation geht es aber um 80.000 oder 90.000 und alle Beteiligten diskutieren diese Unterschiede mit großem Ernst. Jedenfalls zahlen wir 2x 80.000 und nehmen nach einer Wartezeit in einem etwas größeren Kombi Platz, zusammen mit einigen Einheimischen, die mittlerweile ebenfalls hergebracht worden sind. Ich darf aufgrund meiner Statur vorne sitzen, Geli in der 2. Reihe mit einer Frau und einem Mann. Zwei weitere Männer sitzen ziemlich eng in der 3. Reihe, weshalb Geli ihnen gleich ein Paket abnimmt, was sich dort noch befindet. Das wiederum nehme ich nach einer Weile in meinen vergleichsweise großen Fußraum, sitze dann ähnlich eng wie alle anderen. Unterwegs wird eine weitere Person aufgenommen, nun also zu 8 in dem dafür nicht vorgesehenem Auto. Die günstigen 80.000 inkl. Abholung vom Hotel relativieren sich langsam ...
Aus der 3. Reihe verlässt eine Person ziemlich bald das Fahrzeug. Das nützt Geli nichts, die nun neben einem Mann sitzt, der sich ziemlich breit macht und vielleicht nicht anders kann.

Es wird gelegentlich geraucht, gerülpst, eine Tank- und eine Essenspause gemacht. 5 Std später erreichen wir den Tobasee. War jetzt keine schöne Fahrt, aber auszuhalten. Die Mitreisenden trotz sprachlicher Barrieren alle freundlich, so auch die Verabschiedung.

Auf den letzten Kilometern kündigt sich ein Gewitter an, der Tobasee begrüßt uns wolkenverhangen mit Regen und Wind. Kühlster Ort bisher auf Sumatra in 900 m Höhe.

Schutz bietet uns die Fähre nach TukTuk, dem touristischen Zentrum der Gegend. Wir werden über ein steiles Brett mit händischer Hilfe direkt vor unserer Unterkunft abgesetzt. Dort geleitet uns ein Mitarbeiter zu unserem Bungalow. Er gibt uns statt der gebuchten Standardausführung die De Luxe-Version. Kundenpflege in Zeiten des Bewertungswettlaufs bei schlechtem Wetter und wenigen Touristen. Für uns also ein schönes Zuhause für die nächsten 4 Tage, direkt am See mit tollem Blick.

Das Restaurant einige Treppen höher, geöffnet von 7:00 - 21:30. Am nächsten Morgen bekommen wir wertvolle Reisetipps von einigen jungen Leuten, die auch hier wohnen. Uns interessieren vor allem die Weiterreise-Möglichkeiten nach Bukitinggi, unserer nächsten Station. Es finden sich nämlich auch dazu wieder ziemlich schreckliche Beschreibungen in den Internetforen.
Später mieten wir uns einen Roller und machen uns auf den unerwartet holprigen Weg zum eco-village-farmstay, einem Projekt einer Indonesierin und ihres deutschen Mannes.

Auf dem Land ihrer Vorfahren haben sie viele heimische Bäume gepflanzt und Plantagen angelegt, ernähren sich von eigenen Erträgen. Sie bieten Gästen die Möglichkeit, mitzuhelfen oder ein paar Tage dort zu verbringen und mit der Bezahlung das Projekt zu unterstützen. Es wird gemeinschaftlich lecker gekocht, wie in den zahlreichen positiven Bewertungen zu lesen ist. Die Fahrt dorthin über Schotterpisten ist sehr anstrengend. Eine Ausschilderung fehlt und so fahren wir zweimal vorbei. Als wir endlich ankommen, begrüßt uns eine Mitarbeiterin sehr freundlich, bittet uns herein und bereitet ein kleines Essen mit frischem Saft, Küchlein und süßen Aufstrichen.

Die Betreiber des Anwesens sind heute nicht da. Die Mitarbeiterin kann kaum Englisch und so können wir unsere Fragen zum Projekt nicht anbringen, hatten wir doch überlegt, hier ein paar Tage zu verbringen. Elias, ein deutscher Student, der heute erst angekommen ist (zu Fuß die 18 km gelaufen!), hat auch noch keine Informationen. Wir schauen uns ein bisschen um und gewinnen nicht den Eindruck eines funktionierenden landwirtschaftlichen Betriebes. Es wirkt eher wie ein Stück Land im Dornröschenschlaf mit einer lebendigen Ecke für gelegentliche Gäste. Insgesamt nehmen wir Abstand von der Idee, hierher zu kommen. Der Preis für die nette Bewirtung eben? "Gebt was ihr wollt." Na, das ist schon ein besonderer Platz!

Unterwegs sehen wir Beispiele traditioneller Batak-Häuser, einer hier heimischen Volksgruppe, die größtenteils in der Neuzeit den christlichen Glauben angenommen hat. Deswegen gibt es viele Kirchen, keine Moscheen, keine Frauen die Kopftücher tragen. Das Miteinander ist sehr liberal und offen gegenüber westlichen Lebensvorstellungen. Auch das ist möglich in Indonesien.

Auf dem Hinweg hatten wir Rast gemacht bei der Bäckerei einer ausgewanderten Deutschen, entdeckten, dass ein ganzes, wunderbar gestaltetes Resort dazu gehört. Außerdem kurze Kontaktaufnahme dort mit einer auf Bali frisch verheirateten jungen Frau aus Deutschland, die sich beim Erzählen jedes Mal bei "mein Freund äähhh, Mann" (der auch aus Deutschland kommt und gerade noch auf dem Zimmer ist) verspricht und dann rot anläuft. Die beiden haben etwas Besonderes vor und sind die Ersten, die uns toppen: ZWEI Jahre unterwegs!!!
Hier wollen wir nun besprechen wie es weiter gehen soll für uns am Tobasee. Daraus wird dann ein komplettes Abendessen und ein Wiedersehen mit Leuten, die bei Treetop in Iboih unsere Nachbarn waren. Wir erhalten leider die Information, dass eine Verlängerung unseres Aufenthaltes in diesem schönen Resort nicht möglich ist, ausgebucht.
Im Dunkeln auf dem Motorroller mit funktionierendem Licht suchen wir den Weg zurück zu unserem Cottage. Jetzt eine warme Dusche! Ja, funktioniert! Ich bin müde, obwohl es erst 20:30 ist. Was soll's, Zähne putzen, schlafen. In der Nacht dann heftiges Gewitter und (bei uns würde man sagen Stark-) Regen, hier ganz normal. Leider habe ich wieder Darmprobleme, aber keine Übelkeit und muss 2x raus. Ich sehe das positiv und denke: so wird aufgeräumt im Darm, gelegentliche Verstopfungen "restlos" beseitigt.
Heute ist es trübe, gelegentlich Regen. Pfannkuchen mit Zucker schmeckt und bekommt mir wieder gut. Der freundliche Mann vom Restaurant entgegnet unserem stirnrunzeligen Blick zum Himmel: time to chill! Wir nehmen ihn beim Wort, schreiben Blog, lesen, hängen ab. Unterbrochen nur von gelegentlichen (etwas halbherzigen) Versuchen Gelis, doch noch irgendeine gemeinsame Aktivität zustande zu bringen. Einen kleinen Spaziergang über das Gelände des Resorts schaffen wir.

Am Abend dann ein schöner Sonnenuntergang