Samstag, 15.09.2018

Harau-Tal und Bukittinggi

Die Leute hier versprechen: morgen scheint die Sonne. Und tatsächlich, das schöne Wetter am nächsten Morgen lädt uns zu einer längeren Wanderung durch das Harau-Tal.

Links unsere Hütte

Bei MapsMe auf dem Handy hatte ich nach Wegen dafür geguckt. Sah gut aus bis auf ein kleines Leer-Stück, zu umgehen nur mit einem Riesenumweg. Wir fragen einen Mitarbeiter, der uns eigentlich den kompletten Weg führen will, ob es möglich ist, dort durchzukommen. Er meint: "Yes, it's ok, try it". Also los, an den Hundert Meter hohen Felswänden entlang Richtung 'Leerstelle'. Der breite Weg endet allerdings wie eingezeichnet im Nichts, besser gesagt am Rande eines riesigen, unter Wasser stehenden Reisfeldareals.

Was nun? Zwischen den Feldern gibt es schmale, erhöhte Wege, mehr oder weniger trocken, unterbrochen von Gräben. Wir versuchen es dort ("Yes, it's ok. Try!"), irgendwann geht's nicht weiter.

Zurück und auf einem Pfad direkt unterhalb der Felswand entlang. Bald ist auch von dem Pfad kaum noch etwas zu erkennen. Wir schlagen uns durch's Gestrüpp, hoch, runter, durch Matsch und Wasser. Noch halten unsere Wanderschuhe, sind ja von richtig guter Qualität. Die Stimmung hält nicht, habe ich doch wieder mal einen 'Super-Weg' ausgesucht, furchtbarer geht's kaum noch, meine Geli obergenervt!!! Auch hier zurück, was nun? Es sieht so aus, als ob etwas trockenere Wiesen und Buschreihen ein Weiterkommen ermöglichen. Wir versuchen es - und es wird wieder nass. GELI bestimmt: da gehen wir jetzt durch!!! Ich gehorche und gehe vorweg. Es wird immer matschiger, wir versinken im wässrigen Schlamm, die Schuhe füllen sich damit, saugen sich fest, bis zu den Knien, bei Geli drüber hinaus. Jeder Schritt ist mühsam, aber es gibt keine Alternative. Ich erreiche schließlich eine Erhöhung, habe wieder festen Boden unter den Füßen. Geli macht derweil ungewöhnliche Geräusche, die auf großen Unmut hindeuten könnten, unterbrochen von spitzen Schreien. Ich rufe ihr zu: "Nicht stehenbleiben, immer weiter, weiter, hierher!" Schließlich schafft sie es, ich halte Abstand, näher dran ist vielleicht gefährlich.

Eine der Reisbäuerinnen bemerkt uns, weist uns auf unsere Gesten hin aus der Ferne den weiteren (trockenen) Weg auf den Erhöhungen zwischen den Feldern. Tiefe Gräben queren wir über Bambusstäbe, einmal sogar mit einer Art Geländer, und kommen so langsam voran.

Geli bemerkt Motorräder auf der anderen Seite eines Grabens - ein letztes Stück und wir haben es geschafft! Der Beginn trockenen Landes!

Etwas weiter bietet uns ein kleiner Unterstand Schatten und Sitzgelegenheit.

Schnürbänder unter dem Schlamm finden, mit quatschendem Geräusch den Schuh vom Fuß lösen. Das Auskippen gelingt schwer, zu dickflüssig. Dementsprechend ist auch die Einlegesohle kaum herauszubekommen, sie klebt. Das Ende der Strümpfe ahnen wir unter der hellbraunen Sauce, die Bein und Fuß umhüllt. Auswringen soweit möglich und alles zum Trocknen in die Sonne.

Die schafft trotz intensiver Strahlung nicht viel, wir geben ihr wohl zu wenig Zeit. Wieder rein in die feuchtwarmen Sachen und los. Sonnenschein und idyllische Landschaft, abgeschiedene Dörfer mit freundlichen Menschen, die uns grüßen und zuwinken. Wir spüren die Besonderheiten an unseren Füßen bald nicht mehr und genießen.

Der schöne Weg verläuft nicht ganz so wie auf der digitalen Karte eingezeichnet, aber im Großen und Ganzen stimmt die Richtung. Bis er plötzlich endet. Unausweichlich. Geli hatte schon vorher darauf hingewiesen, dass unser Standort seit einiger Zeit irgendwo im Nichts angezeigt wird. Ich begegnete diesem Einwand mit dem Hinweis, dass, wie schon mal erlebt, die Kartengenauigkeit bei MapsMe in solch abgelegenen Gegenden und bei untergeordneten Pfaden nicht so hoch sei. Nach einer Weile würde dann wieder alles stimmen. Außer hier und jetzt ... Obwohl Geli lange nichts getrunken hat, hungrig ist und zur Toilette muss, will sie partout keine Pause machen, nur weiter. Tatsächlich suche ich schon seit einiger Zeit nach einer Weggabelung, die uns mehr nach rechts über den Berg bringt. Es war bisher nichts zu erkennen. Ich glaubte, sie müsse jeden Moment kommen. Nun zurück. Da waren junge Männer, den Hang ein Stück hinunter mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigt. Während wir laufen suche ich den Berg hinauf nach Anhaltspunkten ab für einen Weg oberhalb des jetzigen. Ist da nicht ziemlich weit oben eine ansteigende Kante zu sehen? Könnte das der gesuchte Weg sein? Falls ja, wie sollen wir dorthin kommen, auf kurzer Distanz einen solchen Höhenunterschied überwinden? Die jungen Männer können kein Englisch, verstehen aber trotzdem irgendwie, dass wir nach Harau wollen und nicht wissen wie. Sie rufen nach einem Kollegen, der nicht kommt. Wir gehen weiter und sehen ihn in einer Holzhütte sitzen. Mit Worten, die wir nicht verstehen, aber mit Gesten, die wohl "zurück, dann hoch" bedeuten, bestärkt er uns in der Hoffnung, dass wir hier nicht ganz falsch sind und es eine Möglichkeit gibt, heute noch einmal anzukommen. Eine Frau, die etwas oberhalb am Wegesrand Feldfrüchte schon auf dem Hinweg bearbeitet hatte, grüßt uns wieder freundlich und versteht ebenfalls unser Anliegen, macht die gleichen Gesten wie der junge Mann eben. An einer Weggabelung, die in keiner Weise unserer Karte entspricht, werden wir fündig. Etwas versteckt biegt ein Weg den Berg hinauf ab. Der soll jetzt wohl der eingezeichneten "Straße" entsprechen. Kein Wunder, dass Geli das so nicht eingeschätzt hat und schnurstracks weiter gelaufen ist.

Nach dieser erlösenden Entdeckung unseres weiteren Wanderweges gelingt es mir, Geli von einer Pause zu überzeugen, zumal sich gerade wieder ein sonnenschützender Unterstand im Gebüsch anbietet. Essen, trinken, ausruhen. Ab hier alles gut, die schöne Landschaft rückt wieder in den Mittelpunkt.

Nachdem unsere letzten Wasservorräte aufgebraucht sind, können wir in einem kleinen Dorf unterwegs sogar kühle Getränke kaufen. Schon ein bisschen groggy, aber doch zufrieden mit unserer Abenteuer-Wanderung erreichen wir unsere Unterkunft und freuen uns auf Dusche und Abendessen.
Noch am gleichen Tag werden Wanderschuhe, Sohlen, Strümpfe in einem großen Bottich mit Hannover-Waschpulver gründlich gewaschen, gespült und zum Trocknen aufgestellt.
Am Abend gemütliches Zusammensitzen mit Einheimischen, vielen Gästen, Gitarre und Lagerfeuer (Klischee?). Lustige Erzählungen mit den Holländerinnen, ich komme mittlerweile ganz gut zurecht, mich auf Englisch an Gesprächen zu beteiligen. Schöner Abschluss unserer Tage hier.
In aller Ruhe packen wir morgens und fahren mit einem alten und klapprigen Beçak (Moped mit Beiwagen) zur Busstation in den nächsten größeren Ort.

Die Holländerinnen in einem ähnlichen Gefährt

Wegen des Gepäcks und des auf indonesische Statur ausgelegten Platzangebotes kann nur Geli im Wagen sitzen. Ich setze mich auf den Rücksitz, quetsche mein linkes Bein zwischen Moped und Beiwagen. Wenn da irgendwas nicht hält ... Die Wege haben z. T. sehr große Schlaglöcher und es ist eng, immer wieder Gegenverkehr. Der Fahrer kennt jede Unebenheit, er macht es gut.
Der Bus ist günstig, für die locals noch mehr. Wir sind die einzigen Fremden, werden wieder freundlich angelächelt, fühlen uns mitten in Indonesien und haben gute Stimmung. An der Endstation in Bukittinggi wird's schwieriger. Das erste Grab-Taxi, das uns zur Unterkunft bringen soll, findet uns nicht, es ist laut, hektisch, enges Auto- und Menschengewusel. Eine junge Muslima mit Englischkenntnissen hilft uns mit unserem Extra-Handy, ein altes, das wir mit einer indonesischen SIM-Karte ausgestattet haben, um auch ohne WLAN in's Internet zu kommen. Mit dem zweiten Taxi klappt es dann. Zimmer für 2 Nächte ist ok, warme Dusche! Einfaches Frühstück, alle Einkaufs- und Essensmöglichkeiten um die Ecke. Am frühen Morgen (4:30) dann der Hammer ?. Durch alle Wände, geschlossenen Fenster, Ohrstöpsel und über den Kopf gezogenen Decken brüllt der Muezzin seinen Aufruf zum Morgengebet über eine Lautsprecheranlage, die auch zum Festival in Wacken passen würde (wie wir am nächsten Tag entdecken). Das reicht aber noch nicht, stimmen doch nach und nach weitere Muezzin mit atonalen Gesängen in den Aufruf ein, wenn auch etwas leiser. Wenn die Tonfolgen nicht so fremdartig wären, könnte man meinen, so auf einem Rummelplatz zu stehen, dass man die Musik von allen Fahrgeschäften gleichzeitig hört und das um diese Uhrzeit! Die wenig begeisterte Reaktion der vielen Backpacker, die durch dieses "Tal" hier gehen müssen, hat dazu geführt, dass die Besitzerin einerseits etwas hilflos kostenlos Ohrstöpsel verteilt und anderseits für 40 Mios pro Stück vier geräuschgedämmte Kapseln angeschafft hat (IDR), die an geschlossene Sonnenbänke erinnern. Nach der ersten Nacht überlegen wir ...

Was unternehmen wir?

Einen Spaziergang zu einem schönen Ausblick in die bergig-grüne Umgebung von einem Panoramapark aus, mit vielen wilden, aber an die Menschen gewöhnten Affen (auch um die Ecke). 

Von dort aus durchqueren wir ein künstliches Höhlensystem zur Munitionslagerung, das die Japaner hier im 2. Weltkrieg durch Kriegsgefangene anlegen ließen. Was für eine Schinderei. Als wir endlich wieder in's Freie gelangen, wird aus dem Spaziergang  dann noch eine Wanderung in einen Canyon mit einer nur so genannten "Great Wall".

In diesem hat Geli vor 30 Jahren Flughunde gesehen, die sind aber nicht mehr da. Einen gepflegten englischen Tee in schönem Geschirr und mit Milchkännchen nehmen wir in der stilvollen Bar des Novotel-Hotels zu uns, kostet aber auch ordentlich. Gemüsemarktbesuch, Bummel durch Einkaufsstraßen, bekömmliches Essen im De Kock Café, nach dem auch ein holländisches Fort benannt ist (oder umgekehrt). Die freundliche chinesische Gastgeberin organisiert uns eine günstige Fahrt mit einem vergleichsweise luxuriösen Sammelbus zum nächsten Flughafen. Jetzt geht's weiter wie geplant nach Java. Wir halten uns nach Vorgabe für die Anfahrt und den Check-in 8 Std vor Abflug bereit, der Bus braucht nur 2 3/4 Std, das gibt's also auch.

Auf Wiedersehen, Sumatra, das war eine wunderbare Zeit hier!