Dienstag, 11.09.2018

Irgendwie doch immer weiter

Jau, eine Nachtfahrt, wie sie im Buche steht! (in den Blogs der Backpacker in Indonesien)

Aber erstmal runter von der Fähre mit vollem Gepäck im dicken Regen durch Pfützen und Sturzbäche. Ein paar Leute des Fahrtvermittlers holen uns ab, haben mehr oder weniger funktionierende Schirme dabei. Wir sind zu viert, Alexandro aus Italien und Sabine von der Insel Tasmanien (was für geografische Voraussetzungen für eine Paarfindung! Sie haben aber mal zusammen in England studiert). Die beiden waren in der gleichen Unterkunft am Tobasee und begleiten uns nach Bukittinggi, einer größeren Stadt im mittleren Teil Sumatras. Von dort wollen wir in's Harau-Tal, wo es landschaftlich sehr schön und gut zum Wandern sein soll. 

Nun warten wir im "Büro", einer kleinen Garküche mit Tischen und Stühlen. Dabei habe ich die Gelegenheit, dem jungen Koch beim Zubereiten indonesischer Speisen zuzuschauen. Ich entdecke die Ursache der für mich so schwer zu verdauenden Schärfe. Er hat verschiedene Plastikflaschen und Schüsselchen mit Soßen, die er immer mal wieder dazu gibt. Außerdem schneidet er in der Ecke mit diversen Gemüsesorten verschiedene Chilischoten klein und mischt sie in der großen Blechpfanne über dem Gaskocher unter das Essen. Daneben stehen Schälchen mit Salz und Zucker, Pfeffer kann ich nicht entdecken.
Nach diesen Beobachtungen habe ich nun die Möglichkeit, dem aufgeschlossen wirkenden und etwas Englisch sprechenden Koch, der meine interessierten Blicke ohne offensichtliche Reaktion genau registriert hat, zu erklären, wie er bitte ein Essen für mich zubereiten möchte. Ich wähle Ei, Reis, Gurken, Frühlingszwiebeln, Tomaten, alles in die Pfanne mit etwas Oel und Salz, mehr nicht! Er macht es nach einigen fragenden Hinweisen auf seine Soßen genau so, gibt die Tomaten natürlich erst später dazu, sie würden ja sonst verkochen. Gurken kommen roh direkt auf den Teller. Und er schneidet beim Zerkleinern der Tomaten den grünen Strunk heraus! Etwas, worauf ich viel Wert lege und was ich selbst in besseren Restaurants in Deutschland manchmal nicht erlebe. Er probiert wie jedes Mal das Ergebnis des Kochvorgangs - und verzieht beinah schmerzerfüllt das Gesicht. Das ist nicht sein Geschmack! Für mich alles gut, ein bisschen Salz noch dazu, das wird mir bekommen.

Der Fahrtvermittler, Vater des Kochs, erklärt uns, dass noch 3 weitere Reisende dazu kommen, wir also zu siebt im Auto sitzen würden, naja. Das steckt gerade im Stau, schwierige Verkehrsverhältnisse aufgrund des ständigen Regens. Um 18:30 fing das Warten an, um 21:30 endet es. Wir nehmen erstmal im Kleinbus großzügig auf den beiden hinteren Reihen Platz. Es heißt, die drei weiteren steigen unterwegs zu. Die vorderen Seitenscheiben sind während der Fahrt geöffnet, trotz des Regens. Nach einer Weile verstehen wir den Grund: es riecht im Inneren nach Abgasen, irgendein Defekt zwischen Abgasführung und Lüftungssystem. Ohje, das bleibt nicht das einzige Erschwernis. Außer den Platzverhältnissen, die bleiben großzügig, denn die drei Angekündigten sind unterwegs nicht aufzutreiben, vielleicht vom Wolkenbruch vertrieben.

In der Nacht platzt ein Reifen, zum Glück bei niedriger Geschwindigkeit, wir merken fast nichts davon. Der Fahrer, nicht englischsprechend und am Anfang mürrisch, muss erstmal einen festen, ebenen Untergrund finden und dann für die Montage des Reservereifen (es gibt einen) raus in die Nässe, er tut uns leid und sammelt Bonuspunkte. Weiter geht's. Z. Zt. noch viel Verkehr, große Lastwagen, Busse, Motorräder, enge Orte, gute Straßen mit waghalsigen Überholmannövern, schlechte und ganz schlechte Geröllwege, Schlaglöcher. Wir schütteln hin und her, Platz genug dafür ist ja. Schlafen? Unvorstellbar, dennoch scheint es zu gelingen. Geli wird am nächsten Tag von Schnarchphasen meinerseits berichten. Sie selbst macht wohl kein Auge zu, obwohl sie es schafft zu liegen, braucht ja nicht sooviel Platz. Der Fahrer ist sympathischerweise beunruhigt, weil es nun kein Reserverad mehr gibt. Das ist beim allgemeinen Zustand von Auto, Reifen und Straßen wohl tatsächlich ein Problem. So sucht er die ganze Nacht nach einer Reifenwerkstatt, hält immer wieder an, fragt wie selbstverständlich auch um 2:00, 3:00, sie haben die Reifengröße nicht. Stunden vergehen. Die Jagerei über mehr als 500 km und dieser ständige Abgasgestank sind so nervig, dass schon Fragen aufkommen "Was machen wir hier eigentlich? Sollte so unsere Reise verlaufen?"
Wir tanken, rasten, essen, gehen zur Toilette, muss ja sein. Als es hell wird, kann der Fahrer nicht mehr, er versucht auf dem Lenkrad wenigstens kurz zu schlafen, wieder Bonuspunkte für das rechtzeitige Beachten von Grenzen. Weiter. Hat nicht gereicht. Er muss sich richtig hinlegen, eine Stunde Pause in einer "Raststätte".

DerTransport von A nach B ist mehr eine Expedition und schweißt uns zusammen, auch zeichensprachlich und mit indonesischen Sprachbrocken mit dem Fahrer. Zwischen den langen Phasen des Jeder-für-sich-Dahindösens lustige und persönliche Gespräche mit den beiden anderen. Die Sonne scheint, es ist auch mal gute Stimmung.

Kurz danach findet unser Fahrer den richtigen Reifen (gebraucht) in einer kleinen Werkstatt am Straßenrand, der Mitarbeiter dort beherrscht alle Handgriffe für das Umziehen aus dem Effeff und hat auch eine Maschine, die ihm hilft, druckluftbetrieben, etwas einfacher als in Deutschland. Der 'neue' Reifen kommt an's Fahrzeug, Reserverad wieder in seine Halterung. Der Fahrer zahlt 9,- (€) für alles.

Etwas später sausen wir über den Äquator, keine Energie, den Fahrer um einen Fotostopp und die glückbringende Rückwärtsüberquerung zu Fuß zu bitten. 14:15 erreichen wir Bukittinggi nach 16:45 Stunden. Geli will nur noch schnell in die gebuchte Unterkunft im Harau-Tal. Wir ordern ein Grab-Taxi und werden nach weiteren 1,5 Std direkt vor einer Felswand abgesetzt. Sonnenbeschienene Bungalows, Dusche, Essen und Trinken. Holländerinnen von früheren Orten, die auf anderen Wegen auch hierher gekommen sind. Frau/Man trifft sich auf Sumatra.

Am nächsten Morgen trübe ... Pfannkuchen, Tee, ihr kennt das. Der Besitzer setzt sich dazu, wie seine Frau nett, kontaktfreudig, offen, gut drauf. Englisch mit erstaunlichem Wortschatz, nur gelernt 'by doing' mit Gästen. Seeehr persönliche Themen: Muslima ohne Koptuch? Ja! Jetzige Beziehung, frühere Beziehungen, Enttäuschungen, Liebesschmerz, Umgang mit Stress, Sexualität, Alter, -sunterschieden. Ernsthaftigkeit und Lachen. Ich finde es gerad mal wieder erstaunlich, was an Kontakten und Austausch möglich ist auf dieser Reise. Ich bin das erste Mal soweit weg in einer ganz anderen Kultur und erlebe, wieviel Verbindendes entstehen kann zwischen Menschen auf der Welt, das hatte ich so nicht erwartet. Wenn ich allerdings von der Terrasse des Restaurants zur Seite gucke und die Menschen auf dem Reisfeld hart arbeiten sehe, wird mir klar, dass wir und auch der Besitzer hier trotz seiner Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen zum privilegierteren Teil gehören. Viele sind davon ausgeschlossen, profitieren vielleicht ein bisschen von dem Geld was wir in's Land bringen, mehr nicht.

 


14:00, es regnet. Wir sind im Bungalow, schreiben Blog ... ... ... Mist!