Freitag, 24.08.2018

Banda Aceh und Inseltage

Bei Indojunkie, einer Reiseseite im Internet zu Indonesien, und auch anderswo hatten wir gelesen, dass in der Provinz Aceh die strengen Scharia-Gesetze gelten. Da wir aber gern auf die vorgelagerte Insel Pulau Weh wollen, mit Traumstränden und Schnorchelparadiesen, müssen wir da durch. Wir haben uns also auf Einschränkungen bezüglich Kleidung und Auftreten gefasst gemacht und wollen diese Seite auch ein bisschen erleben.
In der Stadt Banda Aceh ist von der Strenge aber nichts zu spüren. Wir sehen immer wieder unverschleierte Frauen, häufig christlichen Glaubens, wie wir erfahren, die sich selbstverständlich auf den Straßen bewegen. Überhaupt ist die Atmosphäre locker und entspannt, wir werden gegrüßt, gefragt wo wir herkommen und zu gemeinsamen Fotos gebeten. Hier sind europäische Touristen noch etwas Besonderes, es gibt viel freundliche Aufmerksamkeit. Wir übernachten in einem HomeStay, einer privaten Unterkunft mit vielen Backpackern und großer Küche, in der man sich zum Essen und Klönen trifft. Alles DZ mit eigenem Bad, kein Schlafsaal. Überall WLAN. Unser Zimmer ist ruhig, hat Klimaanlage, aber nur ein Hockklo, mit dem ich nicht so gut zurecht komme, für Geli kein Problem. Das Gastgeberpaar ist auch sehr freundlich und äußerst hilfsbereit, sie haben nicht ohne Grund sehr gute Bewertungen im Internet. In der Küche stehen Weißtoast, eine Art Marmelade, Schokocreme, Tee etc. zur Verfügung, was zwar nicht durchgehend unseren Speisevorlieben entspricht, aber Geli für's Erste hilft, wenn sie mit Hunger aufwacht.

Wir nehmen an angeregten Gesprächen in der Küche teil, treffen interessante und nette junge Leute aus Holland, Frankreich, Argentinien - und mehrere auch aus Deutschland. Mir fällt wirklich erfreut auf, wie selbstverständlich wir einbezogen und interessiert befragt werden, obwohl wir eher die Eltern-, in meinem Fall schon fast die Großeltern-Generation darstellen.
Die Nordküste der Provinz Aceh war 2004 eine der am stärksten vom Tsunami betroffenen Regionen mit Zehntausenden von Toten. Wir möchten ein bisschen verstehen, wie die Menschen mit dem schrecklichen Ereignis fertig geworden sind. Auf einem langen Spaziergang sehen wir uns zunächst eine große Moschee, dann das Tsunami-Museum und schließlich das riesige Kraftwerksschiff an, das damals weit ins Landesinnere gespült wurde, unglaublich.

Die Schrecken des Dezember 2004 werden noch einmal deutlich. Vor allem wird an diesen Plätzen jedoch die Solidarität hervorgehoben, die die Menschen in diesem Unglück aus aller Welt erfahren haben und wie viele Helfer persönlich nicht nur zum Aufräumen, sondern zum Zusammenstehen in größter Not und Trauer da waren. Das Erleben dieser Mitmenschlichkeit soll helfen, die Tragödie verarbeiten zu können.
Unser Super-Gastgeber bringt uns und einige Mitbewohner mit seinem Van nach 2 Tagen zur Fähre, deren Fahrt er telefonisch wegen des regnerischen und stürmischen Wetters die letzten Tage immer wieder überprüft hat. Außerdem hat er den Fahrkartenkauf für uns organisiert, so dass wir nicht in die lange Schlange müssen mit unseren großen Rucksäcken. Er will für all das partout auch nicht ein bisschen Geld annehmen. Geli sammelt trotzdem ein und steckt das Geld in die Fahrertür.

Die Überfahrt ist problemlos. Schon vor dem Aussteigen werden wir wieder von Taxifahrern bedrängt, die uns zu unserer Unterkunft bringen wollen. Unsere Mitreisenden Anna und Samira, Studentinnen aus Deutschland, wollen auch zum Ort Iboih und verhandeln für uns vier aufgrund ihres knappen Budgets besonders hart. Für 7,20 € (also 1,80/Person) fahren wir schließlich mit einem Minibus, der in Deutschland maximal 6 Personen aufnehmen dürfte, zunächst zu neunt bis fast an das andere Ende der Insel.
Hier übernachten wir an einem Hang überm Meer mit schönem Blick und teilen uns das Badezimmer mit diesmal älteren anderen. Wir haben leider keine Unterkunft mit eigenem Bad mehr buchen können. Über eine längere Steintreppe gelangen wir an's Wasser und gehen tauchen. Die Vielzahl bunter Fische ist wirklich sehr beeindruckend, nur etwas Sonne fehlt. Überhaupt ist es weiterhin immer wieder sehr regnerisch und stürmisch und das nervt nun langsam. Dazu kommen, wie bereits von Geli beschrieben, Magen-Darm-Probleme. Wir sind wenig unterwegs und das, was wir sehen, begeistert uns nicht gerade. Der Ort, die Küste, das Meer, eigentlich ein Traum.

Doch es wird kaum etwas draus gemacht, bzw. es wird verschandelt. Ohne Plan wird mal hier, mal dort gerodet, angefangen zu bauen, liegen gelassen, woanders neu angefangen, abgerissen. Überall liegen alte Baumaterialien, Müll, ausgerissene Pflanzen und Baumstämme herum. Die Häuser, Bungalows, Geschäfte sehen herunter gekommen und schrottig aus. Niemand greift ordnend ein, das ist auch eine Seite dieses Landes.

Unser englischer Gastgeber bestätigt dieses planlose, naturschädigende Vorgehen und ist froh, dass er zusammen mit seiner indonesischen Nachbar-Vermieterin in ihren Bereichen für mehr Ordnung und achtsamen Umgang mit der Natur sorgt.

Es klart auf und wir fahren mit dem Motorroller über die Insel. Die Sonne taucht alles in ein freundliches Licht, auch unser Gemüt. Am Kilometer Null Indonesiens treffen wir viele indonesische Touristen - sie wollen gemeinsame Fotos!

Die Affen kennen diesen Platz, es gibt leichte Gelegenheit an Futter zu kommen, hängen doch an den abgestellten Motorbikes diverse Tüten mit Essbarem. Dass es manchmal Widerstand gibt, wissen sie auch - und wie man ihn bricht! Will ein Mensch die Affen vertreiben, gehen sie mit gefletschten Zähnen und entsprechenden Geräuschen leicht auf ihn zu. Meistens macht das soviel Angst, dass der Mensch aufgibt. Ich habe aber auch Jugendliche beobachtet, die gleich einen Stock in die Hand nehmen und unerschrocken auf die Affen zugehen, sich von deren Drohgebährden nicht beeindrucken lassen und sie in die Bäume vertreiben - bis wieder ein ängstlicherer Vertreter der Gattung Mensch auftaucht und das Spiel von Neuem beginnt. Es ist also eine Frage des Auftretens, wie es ausgeht. Oder der Einstellung, diese Konfrontation nicht einzugehen, sich aus den Lebensbereichen der Affen herauszuhalten und sie nicht an diese Art der Futterbeschaffung zu gewöhnen.

Die Tankanzeige des Motorrollers geht gegen Reserve. Benzin gibt's am Straßenrand, gleich neben Kartoffeln und Ananas. Eine alte Frau löffelt 2 Liter aus einem Bottich in eine Kanne mit langer Tülle, unter unserem Sitz wird eingefüllt.

Nächster Halt: Pulau Weh Paradise, ein gehobenes Resort im Süden der Insel. Bungalows für 1.5 Mios die Nacht (90 €). Wir sitzen auf der Terrasse des Restaurants und schauen auf türkisfarbenes Meer mit weißen Schaumkronen, Palmen im Vordergrund ebenso weißer Sandstrand. Postkarte.

Ein Bungalow ist gerade frei, wir dürfen ihn anschauen. Das ist jetzt selbst für europäische Verhältnisse Luxus. Vom Boden bis zum Spitzdach verglaste Front zum unverstellten Blick auf's Meer, entweder von einer edlen Polstermöbel-Sitzgruppe im vorderen Teil aus oder vom etwas erhöhten großzügigen Bett mit schlichter, feiner Bettwäsche im hinteren Teil. Anschließend ein großes Badezimmer mit Felswandimitat. Vielleicht die Handschrift von Steve, einem Kanadier, der hier lebt. Den haben wir eben im Restaurant kennen gelernt. Er wirkt als "Consultant", wie uns die freundliche und immer intensiv lachende Dame von der Rezeption verrät, die übrigens gebürtig aus Bukit Lawang kommt und behauptet, Mina aus dem Dschungel sei ihre Tante (wieder lautes Lachen). Wir sind jedenfalls angetan, haben aber schon woanders gebucht. Und hätten das wohl auch sonst nicht genommen, schließlich liegt dieser Platz weit weg vom sonstigen Leben auf der Insel - und soviel Luxus brauchen wir nicht, unbedingt ...

Steve hat für uns ein Treffen mit Lia, der zuständigen Indonesierin der Unterkunft arrangiert, in der wir ab morgen wohnen werden. Dort bekommen wir schon mal einen Eindruck von der Örtlichkeit und Lage. Wir vereinbaren noch, dass wir am nächsten Tag von unserer derzeitigen Unterkunft abgeholt werden.
Jetzt aber Hunger! Auf zum "Bixio-Café", einem italienischen Restaurant am Long Beach in der Nähe unserer bisherigen Unterkunft, ausgewählt in der Hoffnung auf bekömmlicheres Essen. Es ist schon dämmrig, der Platz ist richtig schön mit warmer Beleuchtung unter Bäumen. Noch ein toller Strand, ruhig, ein paar Bungalows, vielleicht 2-3 Lokale. Ich finde Bruschetta - Knoblauchbrot mit lecker zuzubereitem Tomatendipp und Tagliatelle al ragu - selbstgemachte Nudeln mit Fleischsoße. Und ich bekomme Bier! Das heißt hier Apfelsaft, weil es eigentlich verboten ist. Alles bekommt mir bestens, ich glaube ich bin durch mit Magen-Darm. Leider Geli nicht. Es folgt für sie eine nicht so gute Nacht und auch der ganze nächste Tag ist dadurch für sie überschattet.
Es ist endlich sonniger heute und Feiertag im muslimischen Aceh, außerdem Meeres-Ruhetag, was wir richtig sinnvoll finden. Jedenfalls sind deswegen auch viele indonesische Touristen hier, aber es ist fast überall geschlossen und wir müssen ein Stück laufen, bis wir im Olala-Café essen können. Durch die Sonne wirkt nicht mehr alles so fad, wir bekommen einen positiveren Eindruck von Iboih. Im Café treffen wir alte Bekannte und neue Leute, wieder interessante Gespräche. Geli möchte gern liegen, sie braucht etwas Ruhe. Wir finden Liegen auf einer Terrasse am Meer, ab 14:00 ist die Ruhezeit vorbei und nach dem dadurch möglichen Tauchabenteuer (siehe nächsten Eintrag) und einem letzten Besuch im trendigen Café bleu werden wir von Lia pünktlich 18:00 abgeholt zu unserem Bungalow mit eigenem Bad und Frühstück in der Nähe der Inselhauptstadt Sabang.

Wir sind mit Ruhe (außer Motorradgeknatter) mal ganz für uns.